"Protest ist gut und richtig"

Frau Göring-Eckardt, Sie sind Kirchenvertreterin, aber auch grüne Bundestagsvizepräsidentin. Wie politisch ist der Papstbesuch?Göring-Eckardt: Der Papst war schon 2009 als Staatsoberhaupt in den Bundestag eingeladen worden. Damals aus Anlass des Jubiläums der Römischen Verträge für eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

Frau Göring-Eckardt, Sie sind Kirchenvertreterin, aber auch grüne Bundestagsvizepräsidentin. Wie politisch ist der Papstbesuch?Göring-Eckardt: Der Papst war schon 2009 als Staatsoberhaupt in den Bundestag eingeladen worden. Damals aus Anlass des Jubiläums der Römischen Verträge für eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Daher gehe ich davon aus, dass der Papst die Frage eines politischen Europas vor dem Bundestag thematisieren wird. Insofern ist sein Besuch durchaus politisch.

Zahlreiche Abgeordnete argumentieren mit der verfassungsrechtlich gebotenen Trennung von Kirche und Staat und wollen dem geplanten Auftritt Benedikts im Bundestag fernbleiben. Haben Sie dafür Verständnis?

Göring-Eckardt: Ich bin neugierig darauf, was der Papst zu sagen hat. Andere nicht. Dafür habe ich volles Verständnis. Es steht jedem Abgeordneten frei, der Papst-Rede zuzuhören oder eben nicht. Und sollte sich jemand entscheiden, während der Rede zu gehen, ist das auch seine Freiheit. Das wird den Papst nicht aus der Fassung bringen. Wir haben schon andere Redner im Bundestag gehabt, bei denen es zu Recht Diskussionen gab. Ich denke da zum Beispiel an den früheren russischen Präsidenten Putin.

Putin war aber nicht Papst. Ist der Verweis auf das Staatsoberhaupt Benedikt nur ein Trick?

Göring-Eckardt: Nein, eben weil er auch Staatsoberhaupt ist, sind seine Ansichten über Europa wichtig.

Würden Sie auch einen Imam im Bundestag reden lassen?

Göring-Eckardt: Wenn sich die Fraktionen einigten, wenn er gleichzeitig Staatsoberhaupt wäre, warum nicht?

Kritiker sagen, der Papst stehe für eine völlig verstaubte Geschlechter- und Sexualmoral. Erwarten sie darüber Auseinandersetzungen?

Göring-Eckardt: Das Thema wird sicher eine Rolle spielen. Dafür werden schon die zahlreichen Protestdemonstranten sorgen, die sich zum Papst-Besuch angekündigt haben. Und auch das finde ich gut und richtig. Niemand sollte damit hinter dem Berg halten, was ihn bewegt. Ich finde, der Papst sollte wahrnehmen, dass er in ein Land kommt, in dem sich zum Beispiel Homosexuelle durch die Sexualmoral der Katholischen Kirche verletzt fühlen. Ob der Papst etwas dazu sagt, muss er allein entscheiden.

In Erfurt will der Papst ein Kloster besuchen, in dem Martin Luther lange Zeit Mönch war. Ein gutes Signal für die Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten?

Göring-Eckardt: Das ist ein sehr wichtiges Signal. Der Papst kommt an einen Ort, wo Luther seine Primiz, also seine erste Messe als Priester, abgehalten hat. Ein Gewinn ist auch, dass wir in dem Kloster gemeinsam einen Gottesdienst mit der Luther-Übersetzung der Bibel feiern. Ich selbst werde dort als Frau und Laiin geistliche Worte zur Begrüßung sprechen. Für Katholiken ist das nicht gerade eine Selbstverständlichkeit.

Wie steht es generell um die Ökumene, seit Benedikt Papst ist?

Göring-Eckardt: Es gab gute und weniger gute Phasen. Inzwischen besteht ein gemeinsames ökumenisches Anliegen, in Zeiten der Orientierungslosigkeit vieler Menschen Antworten zu finden auf die Fragen der Welt. Auch die Frage, wie die christlichen Kirchen das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 begehen, rückt zunehmend in den Mittelpunkt. Ich hoffe, dass wir bei dem Gespräch mit dem Papst in Erfurt dazu etwas in Gang setzen können.

Für dieses Treffen ist lediglich eine halbe Stunde Zeit vorgesehen. Kann daraus wirklich mehr werden als nur ein Austausch von Höflichkeiten?

Göring-Eckardt: Ja, weil der Papst selbst an einem echten Gespräch interessiert ist. Das hat er schon im Vorfeld signalisiert.

Woran messen Sie den Erfolg oder auch den Nicht-Erfolg des Papst-Besuchs?

Göring-Eckardt: Der Erfolg hängt daran, ob Menschen durch das Wort Gottes erreicht werden konnten. Es werden bei den Veranstaltungen etwa so viele Menschen sein wie beim Kirchentag in Dresden. Und so hoffe ich, dass viele Trost und Hoffnung des Glaubens weitertragen. Wenn so viel Öffentlichkeit für den Besuch existiert, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass die christliche Botschaft viele Herzen erreicht.

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