Priester händeringend gesucht

Trier · Der katholischen Kirche laufen nicht nur die Gläubigen weg, ihr gehen auch die Priester aus. Pfarreien werden zusammengelegt – Laien und ausländische Priester sind gefragter denn je.

Der Priesterschwund in der katholischen Kirche schreitet weiter voran: Es gibt immer weniger Nachwuchs, ein Ende des Trends ist nicht in Sicht. "Es ist schon sehr dramatisch", sagt der Priesterreferent des Bistums Trier , Markus Nicolay. Auch anderen Bistümern in Rheinland-Pfalz und in Hessen macht der Priestermangel schwer zu schaffen. Um ihre "Not" zu lindern, setzen sie daher auf neue Seelsorge-Strukturen und mehr Unterstützung durch ausländische Priester.

Im Bistum Trier ist die Lage ernst: Nicht nur, dass die Zahl der aktiven Diözesanpriester in den vergangenen zehn Jahren um 170 auf 361 gesunken ist. Auf zehn Priesterverluste im Jahr durch Tod oder Ausscheiden komme derzeit im Schnitt gerade mal ein neuer Priester hinzu. Die Folge: Bereits 13 Pfarrstellen sind derzeit im Bistum Trier unbesetzt. "Diese Schere wird in den nächsten Jahren immer weiter aufklappen", sagt Nicolay. Er geht von einem Minus von rund 100 weiteren Priestern für die nächsten zehn Jahre aus.

Immer weniger Männer wollen Priester werden: Im vergangenen Jahrzehnt sei die Zahl der Priesterkandidaten im Bistum Trier um 22 Prozent zurückgegangen, sagt Nicolay. Dieser Trend gehe einher mit einem starken Rückgang bei der Zahl der kirchlichen Trauungen oder Gottesdienstbesucher. Die Zahlen zeigten: "Wir stehen in einem fundamentalen Umbruch: Die uns vertraute Sozialgestalt der Kirche ist offensichtlich nicht mehr zukunftsfähig."

Das Bistum Speyer reagiert auf die schwindenden Ressourcen mit dem neuen Seelsorge-Konzept "Gemeindepastoral 2015": Die Zahl der Pfarreien werde von 346 auf 70 reduziert, teilt eine Sprecherin mit. Dies bedeute für Verwaltung und Gremienarbeit eine "deutliche organisatorische Entlastung" und solle einer "Konzentration der Seelsorge " dienen.

Auch Priester aus der Weltkirche könnten zur Entlastung in der Gemeindearbeit beitragen. Gab es dort vor zehn Jahren noch 265 Priester im aktiven Dienst, sind es heute noch 209. Die Zahl der Priesterkandidaten sank von 29 auf heute 17. "Die Akzeptanz und Relevanz von Kirche" habe in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen, teilte das Bistum mit. Eine verbindliche Lebensentscheidung für ein Priesteramt falle vielen Menschen angesichts der heutigen Schnelllebigkeit schwerer. Auch der Verzicht auf Ehe und Partnerschaft könne ein Grund sein, sich gegen den Priesterberuf zu entscheiden.

Das sinkende Interesse an kirchlichen Berufen hängt nach Ansicht des Bistums Mainz "mit einer spirituellen Krise zusammen", sagt Sprecher Tobias Blum. Aufgrund der jüngsten aktuellen Krisen sei es zudem "schwieriger geworden, sich mit der Institution Kirche zu identifizieren". Der Zölibat möge auch eine Rolle spiele - aber nicht die entscheidende. Das Mainzer Bistum hatte in den vergangenen zehn Jahren einen Rückgang seiner Diözesanpriester um 49 auf 419 zu verzeichnen. Unbesetzte Pfarrstellen gebe es keine. 17 Kandidaten würden sich derzeit auf eine Priesterweihe vorbereiten - im Jahr 2004 waren es noch 24, hieß es.

Auch das Mainzer und Trierer Bistum haben ihre Pfarreienstruktur verändert: Sie haben größere Gemeinden geschaffen, in denen Laien verstärkt eingebunden werden. "Die Aufwertung von ehrenamtlichem Engagement ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft der Gemeinden", sagt Blum. Auch ausländische Priester aus der Weltkirche würden zunehmend in der Seelsorge tätig, sagt Nicolay, der für das Bistum Trier derzeit ein Kooperationsprojekt mit Indien entwickelt.

Bloß die Zuständigkeiten der Priester zu erweitern - darin sieht Sigrid Grabmeier, Sprecherin der Reformbewegung "Wir sind Kirche", keine sinnvolle Lösung. "Der Priestermangel ist ein hausgemachtes Problem." Wer Zugangsmöglichkeiten zum Priesteramt beschränke, brauche sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs ausbleibe. Kritisch sieht sie den Ausschluss von Frauen von vielen kirchlichen Ämtern. Eine enge Bindung zwischen Priester und Gemeinde sei es, wonach sich Gläubige sehnten. "Die Schaffung von Großgemeinden bewirkt genau das Gegenteil", erklärt Grabmeier.

"Priester aus der Weltkirche helfen uns auch", sagt der Sprecher des Bistums Limburg, Stephan Schnelle. Derzeit seien rund 25 Priester aus verschiedenen Kontinenten tätig. Bis 2019 sollten zudem "Pfarreien neuen Typs" entstehen: Eine Pfarrei werde dann für mehrere Kirchorte zuständig sein. Vor zehn Jahren habe das Bistum noch 160 Priester gezählt, jetzt seien es etwa 130. Bei der Zahl der Priesterkandidaten aber gab es ein Plus: Von elf im Jahr 2004 auf derzeit 19. Dies liege daran, dass auch Kandidaten in Kooperation mit anderen Bistümern dort ausgebildet werden.

Auch im Bistum Fulda geht der Trend zur Zusammenlegung von Gemeinden. Die Zahl der Priester sei von 2003 bis heute von 373 auf 329 gesunken, sagt der Sprecher des Bistums. Zudem würden verstärkt Diakone und Laien im pastoralen Dienst eingesetzt. Auch ausländische Priester kämen zum Einsatz.

Meinung:

Kirche sollte sich öffnen

Von SZ-RedakteurJörg Wingertszahn

Wenn auf zehn Priester, die in den Ruhestand gehen, nur einer nachfolgt, kann man sich leicht ausrechnen, wann die Kirche ausgeblutet ist. Pfarreien zusammenzulegen ist keine endgültige Lösung. Auch nicht der Einsatz von Priestern aus Asien oder Afrika. Die Kirche muss sich viel mehr die grundsätzliche Frage stellen, warum immer weniger junge Männer sich für das Priesteramt entscheiden. Die Trierer Synode, die Bischof Ackermann ins Leben gerufen hat, bietet dafür die richtige Plattform. Diskutiert werden sollte auch die Rolle von Frauen und Laien in der Gemeindearbeit. Angesichts des akuten Priestermangels wäre es nur konsequent, ihnen weitere Aufgaben zuzuteilen - damit Kirche lebendig bleibt und nicht nach und nach abstirbt.

Zum Thema:

HintergrundIm Bistum Trier trat 2009 die sogenannte Strukturreform in Kraft. Von den damit verbundenen Veränderungen sind auch weite Teile des Saarlandes betroffen. Die Zahl der früher 91 Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften des Bistums im Saarland wurden auf 56 reduziert. Dementsprechend sank auch die Zahl der pastoral Beschäftigten. Die Zahl der Priester liegt derzeit bei unter 100. red

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