Prälaten auf Schnäppchenjagd

Rom · Seit Franziskus Papst ist, geht es mit den Verkäufen von teuren Messgewändern und edlen Brustkreuzen bergab. Der „stile francesco“ macht sich im gesamten Klerus breit. Die Klerus-Moden-Verkäufer leiden darunter.

 Hier kauft der Papst ein: Ein Blick ins prachtvolle Schaufenster von Papstschneider Luciano Ghezzi in Rom.Foto: Julius Müller-Meiningen

Hier kauft der Papst ein: Ein Blick ins prachtvolle Schaufenster von Papstschneider Luciano Ghezzi in Rom.Foto: Julius Müller-Meiningen

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Es sind keine einfachen Zeiten für die Schneider des Papstes. Vielleicht hat Lorenzo Gammarelli deshalb diesen leicht resignierten Blick. Über ihm hängen die Porträts der letzten Päpste , die der vatikanische Hofschneider allesamt eingekleidet hat. Aber der Mann in Weiß ganz links sieht irgendwie anders aus. Franziskus trägt die weiße Soutane von Gammarelli, aber die mit Hermelinfell besetzte und mit ihrem rotem Samt an die kaiserliche Tradition erinnernden Schultermantel namens Mozetta, den warf dieser Papst nie über. Auch die roten Schuhe oder den Camauro, die fellbesetzte Wintermütze, lehnt Franziskus ab. "Das war schon eine kleine Enttäuschung für uns, wo wir doch alles extra für ihn gefertigt haben", sagt Gammarelli. "Aber wir haben größten Respekt für ihn."

Wie ein Zeichen eiserner Papsttreue liegt bei Gammarelli der "Osservatore Romano", das vatikanische Verlautbarungsorgan auf dem Tresen. Doch Franziskus hat seinen ganz eigenen Stil. Das hatte nicht nur Folgen für die katholische Kirche insgesamt, sondern insbesondere für den Kleidungsstil des gesamten Klerus. Er ist mit dem Papst aus Argentinien ärmer und essenzieller geworden. Manche behaupten, die Zeiten katholischen Prunks seien endgültig vorbei. Andere finden den plötzlichen Wandel einfach nur scheinheilig.

An seinem dritten Amtstag sagte Franziskus den berühmt gewordenen Satz, der zum Menetekel der Papstschneider geworden ist: Er wünsche sich "eine arme Kirche für die Armen". Das viel beklatschte Zitat war wie ein Stich ins Herz der Klerikal-Stylisten. Denn seither fahren Kardinäle , die früher Luxuskarossen benutzten, plötzlich Kleinwagen wie der Papst. Und Priester, Bischöfe , Prälaten aller Art, die früher prächtige Messgewänder auflegten, tragen nun bei der Liturgie das, was man salopp mit klerikalen Alltagsklamotten umschreiben könnte. Wertvoll hergestellte, mit Brokat und Edelsteinen besetzte Gewänder sind out. Die Traditionalisten unter den Geistlichen, die Spitze und Glitzer liebten, haben es schwer. Im katholischen Klerus herrscht nicht mehr Haute Couture, wie sie noch Federico Fellini in seinem Film "Roma" persiflierte. Angesagt ist Prêt-à-porter oder kurz: stile francesco.

Luciano Ghezzi kann ein Lied von den Auswirkungen des spartanischen Franziskus-Stils singen. Er ist 75 Jahre alt und führt seit den 60er Jahren eines der zahlreichen Geschäfte mit Klerikal-Bedarf in der Via dei Cestari in Rom . Der päpstlichen Bescheidenheit, die Kritiker für inszeniert halten, setzt er das Selbstbewusstsein eines Modeschöpfers entgegen. "Ich habe alles, ich statte ganze Kirchen aus. Meine Sachen sind die besten." Dann zupft Ghezzi an einem besonders aufwändig hergestellten mit Gold und Edelsteinen bestickten Messgewand für knapp 3000 Euro und sagt: "Darauf bleibe ich sitzen, das ist sicher." Der Klerus hat den Gürtel enger geschnallt. Die Wirtschaftskrise macht sich bemerkbar. Aber vor allem zeigt der Pauperismus des Papstes Wirkung, der sich nach Franz von Assisi benannt hat. Der legte bekanntlich seine noblen Kleider ab und wählte die Armut. Die mittelbare Folge dieses Mythos bekommt Luciano Ghezzi bei der monatlichen Abrechnung zu spüren: Sein Gewinn ist mit Franziskus um bis zu 50 Prozent geschrumpft, sagt er.

"Sie recyclen jetzt sogar", mault Ghezzi verächtlich. Mitren, silberne Kelche und goldene Brustkreuze werden kaum noch gekauft. "Sie sparen überall." Und das gelte für einfache Priester ebenso wie für Bischöfe und Kardinäle . Einer der letzten Lichtblicke der Klerus-Ausstatter ist, dass beinahe alle katholischen Geistlichen aus der ganzen Welt regelmäßig nach Rom kommen und sich dann oft über Jahre hinaus mit Kleidern und liturgischem Material eindecken. Unter den als besonders konservativ geltenden US-amerikanischen Prälaten gibt es noch Kunden, die sich teure liturgische Gewänder leisten. "Ein paar Verrückte", nennt sie Ghezzi. Doch die anspruchsvollen, traditionsbewussten Kunden seien oft die Schlimmsten. "Nervensägen", sagt Ghezzi trocken.

Mehr Nylon, weniger Gold, das ist die Devise. "Der Papst selbst läuft mit einer Kasel herum, die es bei mir für 35 Euro gibt", sagt Ghezzi. Das klingt ein wenig abfällig. Aber Ghezzi will nichts kommen lassen auf Franziskus und seine armseligen Messgewänder. "Er bringt die Leute zurück in die Kirche", sagt er. Auch der Ansturm der Touristen ist größer geworden. Im ersten Jahr von Franziskus kamen allein 1,5 Millionen Menschen zu den wöchentlichen Papstaudienzen.

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