Polizei geht an ihre GrenzenVerdächtiger Koffer in Namibia war nur eine Attrappe - Wer hat ihn platziert?

Saarbrücken/Berlin. An diesen Anblick wird man sich erst noch gewöhnen müssen: Kaum hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch vor Terror-Anschlägen in Deutschland gewarnt, da waren am Saarbrücker Hauptbahnhof schwer bewaffnete Bundespolizisten auf Patrouille. Binnen weniger Stunden machten Bund und Land mobil

 Ob Saarbrücken oder wie hier Berlin: Bewaffnete Bundespolizisten führen in den Bahnhöfen vermehrt Kontrollen durch. Foto: dpa

Ob Saarbrücken oder wie hier Berlin: Bewaffnete Bundespolizisten führen in den Bahnhöfen vermehrt Kontrollen durch. Foto: dpa

Saarbrücken/Berlin. An diesen Anblick wird man sich erst noch gewöhnen müssen: Kaum hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch vor Terror-Anschlägen in Deutschland gewarnt, da waren am Saarbrücker Hauptbahnhof schwer bewaffnete Bundespolizisten auf Patrouille. Binnen weniger Stunden machten Bund und Land mobil. Saar-Innenminister Stephan Toscani (CDU) ließ wissen, die Behörden würden ständig "in enger Anlehnung an die Maßnahmen der Bundespolizei die sichtbare, aber auch die verdeckte Polizeipräsenz" intensivieren.

Mehr Präsenz hat ihren Preis, und das bleibt nicht ohne Folgen für die Beamten. Der Bundeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sagte, für Dezember geplante Urlaube und freie Tage seien Polizisten vielerorts gestrichen worden. Im Saarland ist dies aber nach Aussage mehrerer Gewerkschaftsvertreter nicht der Fall.

Auch wenn der konkrete Terroranschlag, von dem de Maizière sprach, vereitelt werde: "Es kommen neue Drohungen", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg. "Es bleiben Drohungen von Menschen, die wir gar nicht im Griff haben, von Menschen, die hier leben." Es fehle an Personal und Technik im großen Umfang, bemängelte Freiberg. Es sei ein "Widerspruch der Politik", angesichts der Bedrohungen weiter Personal zu kürzen. In den vergangenen zehn Jahren seien 10 000 Stellen in den Ländern gestrichen worden. 9000 weitere zu streichen, sei bereits beschlossen, kritisierte Freiberg.

Auch die Polizeigewerkschaften in den Ländern beobachten die zunehmende Belastung der Beamten mit großer Sorge. Nach Angaben der DPolG haben die Hamburger Polizisten rund 900 000 Überstunden angesammelt. Damit seien sie schon jetzt an ihre Belastungs- und Schmerzgrenze gestoßen.

Die erhöhte Aufmerksamkeit angesichts der aktuellen Bedrohung bedeutet für die Saar-Polizei natürlich "zusätzliche Maßnahmen" im Hintergrund, sagt der Vorsitzende der GdP Saar, Hugo Müller. "Wir fahren vermehrt Streife, zum Beispiel im Außenbereich des Flughafens Saarbrücken." Für den Innenbereich des Airports sowie Bahnhöfe und die Grenze zu Frankreich und Luxemburg ist nicht die Landes-, sondern die Bundespolizei zuständig. Und auch die ist im Land mehr als ausgelastet, sagt Roland Voss, GdP-Vorsitzender Bundespolizei im Saarland. "Wir brauchen dringend mehr Personal, sowohl Experten im Hintergrund als auch Ansprechpartner für die Bürger." Nach SZ-Informationen sollen bei der Bundespolizei im Land bis zu 100 Stellen nicht besetzt sein. 100 bis 200 Überstunden pro Beamter seien keine Seltenheit, sagt Voss und verweist auf eine Studie der Universität Magdeburg von 2008, die den Beamten einen schlechten Gesundheitszustand bescheinigt. Demnach lag der Krankenstand damals bundesweit bei 15 Prozent, jeder Vierte litt am Burn-out-Syndrom.

Horst Dörr, DPolG-Vorsitzender im Saarland, spricht von einem "strukturellen Personalabbau" im Saarland. Zwar würden jährlich rund 100 Polizisten neu eingestellt, es müssten aber 130 bis 150 sein, um die Sollstärke der Polizei aufrechtzuerhalten.Berlin/Hamburg. Als am Mittwoch vor einem Air-Berlin-Flug in Namibia ein verdächtiger Koffer gefunden wurde, war die Aufregung groß. Denn am selben Tag hatte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) davor gewarnt, dass Deutschland möglicherweise noch im November das Ziel von Anschlägen islamistischer Terroristen werden könnte. Am Freitag gab er dann Entwarnung: Der Koffer enthielt keinen Sprengstoff, sondern es handelte sich um ein Gepäckstück, wie es üblicherweise zum Test von Sicherheitsmaßnahmen eingesetzt wird.

Das wirft jedoch noch mehr Fragen auf. Wer hat den Koffer am Flughafen in Windhuk platziert? Die Fluggesellschaft Air Berlin erklärte, sie habe den Dummy nicht gekauft. Sind ausländische Sicherheitsbehörden verantwortlich - möglicherweise aus den USA? Der Koffer jedenfalls wurde bei einer kalifornischen Firma hergestellt. Aber warum haben die deutschen Behörden dann offenkundig davon nichts gewusst?

Oder war es gar die deutsche Seite selbst? Dies hält de Maizière für "sehr unwahrscheinlich" - prüfen lässt er es aber auch. Sollte sich herausstellen, dass der Koffer auf deutsche Initiative hin in Windhuk war, wäre es äußerst peinlich, dass die höchsten Sicherheitsleute darüber offenbar nicht informiert waren. Vor allem auch, weil die Innenminister noch am Donnerstag erklärt hatten, dass die Informationen aller mit Sicherheitsfragen befassten Behörden des Bundes und der Länder im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum täglich ausgetauscht würden - und auch die internationalen Partner eng eingebunden seien. dpa

 Bewaffnete Bundespolizisten führen in den Bahnhöfen in Deutschland vermehrt Kontrollen durch. Foto: dpa

Bewaffnete Bundespolizisten führen in den Bahnhöfen in Deutschland vermehrt Kontrollen durch. Foto: dpa

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