Rajoy abgewählt Politisches Beben in Spanien macht Europa nervös

Madrid · In Spanien schien der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy noch vor einer Woche fest im Regierungssattel zu sitzen. Am Freitag wurde er durch den Sozialisten Pedro Sánchez ersetzt.

 Fair gratulierte der abgewählte spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy (rechts) am Freitag nach der Parlamentsabstimmung seinem Nachfolger Pedro Sanchez.

Fair gratulierte der abgewählte spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy (rechts) am Freitag nach der Parlamentsabstimmung seinem Nachfolger Pedro Sanchez.

Foto: dpa/Uncredited

In seiner dunkelsten Stunde bewies Mariano Rajoy die Größe jener Politiker, die wissen, wenn sie verloren haben. Nach dem Misstrauensvotum im Parlament von Madrid, das ihn nach sieben Jahren aus dem Amt katapultierte, war er am Freitag der erste, der seinem Nachfolger Pedro Sánchez die Hand reichte. Noch einmal hatte er kurz vor dem Votum im Congreso de los Diputados das Wort ergriffen – als bereits klar war, dass die Sozialisten mit ihrem Antrag zu seiner Abwahl durchkommen würden. Bewegt dankte er den Spaniern für ihr Vertrauen und betonte: „Als Demokrat werde ich das Ergebnis der Abstimmung akzeptieren.“

Beliebt war Rajoy nie. Zumindest nicht bei seinen Landsleuten. Korruptionsskandale, in die seine konservative Volkspartei (PP) verstrickt war, sowie der harte Sparkurs im Zuge der Wirtschaftskrise, dazu sein etwas hölzernes Auftreten – all das machte ihn nicht gerade zum Liebling der Nation. In Europa hingegen galt er als verlässlicher Partner.Mit der Machtübernahme des Sozialisten Pedro Sánchez macht sich nun Unsicherheit breit.

Seinen Misstrauensantrag hat der 46-jährige Sánchez im Hopplahopp-Verfahren durch das Parlament gepaukt. Noch in der vergangenen Woche schien Rajoy recht fest im Sattel zu sitzen, obwohl er im Zuge der schwierigen Mehrheitsverhältnisse nach den Parlamentswahlen 2016 nur eine Minderheitsregierung führte. Dann aber fielen die Urteile in der Korruptionsaffäre „Gürtel“, in die auch frühere ranghohe Mitglieder der PP verwickelt waren. Und Sánchez sah seine Stunde gekommen. Zeit für ein Regierungsprogramm blieb da kaum. Vor allem war der Politiker damit beschäftigt, Regionalparteien aus Katalonien und dem Baskenland auf seine Seite zu ziehen, um bei dem Votum auf die absolute Mehrheit zu kommen. Ein Amtsantritt ohne genauen Plan, das ist ein denkbar ungünstiger Ausgangspunkt für den Ökonomiedozenten, der erst seit 2014 den Sozialisten vorsteht.

Denn Spanien befindet sich nicht nur mit Blick auf die katalanischen Unabhängigkeitsgelüste, sondern auch wegen der schwierigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament in einer äußerst brenzligen Situation. Die PSOE hat nur 84 der insgesamt 350 Sitze und muss sich künftig bei Entscheidungen mit dem als linkspopulistisch eingestuften Bündnis „Unidos Podemos“ (Gemeinsam können wir) einigen. Die Allianz und ihr Chef Pablo Iglesias hoffen als Dank für ihre Hilfeleistung bei dem Votum auch auf einige Ministerposten. „Der Regierungswechsel wirft viele Fragen auf, über das neue Kabinett, den Haushalt, die Zukunft Rajoys und das Datum der nächsten Wahl“, meinte die Zeitung „La Vanguardia“.

Spanien hat zwar eine erstaunliche wirtschaftliche Erholung hinter sich und liegt seit drei Jahren bei mehr als drei Prozent Wachstum. Allerdings war die Arbeitslosenquote im April mit 15,9 Prozent immer noch knapp doppelt so hoch wie im Schnitt der Eurozone. Das Land ist zudem der letzte „Defizit-Sünder“, der wegen Verstößen gegen EU-Stabilitätsregeln unter besonderer Beobachtung der EU-Kommission steht. Zwar versprach Sánchez, seine oberste Priorität seien Stabilität, die Einhaltung der europäischen Verpflichtungen und der territoriale Zusammenhalt. Wie er das anstellen will, ließ er offen.

Besonders interessiert, wie der Neue mit den katalanischen Separatisten verfahren will. Die Abstimmung in Madrid hatte er vor allem dank der Unterstützung zweier kleinerer Parteien aus der Krisenregion gewonnen. Welche Zugeständnisse er dafür gemacht hat, war unklar.

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