Politik und Kirche wehren sich
Bonn · Hassparolen, Verleumdungen und Hetze im Internet sind inzwischen an der Tagesordnung. Oft bleiben die Angriffe nicht virtuell, sondern werden real. Dagegen wehren sich Politik und Kirche.
In der Populismus-Debatte sprechen sich Vertreter aus Religion und Politik gegen Hassrede aus. Sie fordern ein entschiedenes Eintreten gegen Hetze, auch in den sozialen Netzwerken, und warnen vor dem Erstarken rechtspopulistischer Gruppen.
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD ) rief die Opfer von Gewaltandrohungen und Hassparolen auf, sich zu wehren. Streit gehöre zwar zum Wesen der Demokratie, auch dass Menschen wütend oder aggressiv ihre Meinung sagten, aber einen Hetzer könne man auch "Hetzer" nennen, sagte Thierse gestern. Es sei wichtig, sich gemeinschaftlich gegen Hetze zu stellen. Jeder Demokrat habe das Recht, sich gegen Hass und Gewalt zu wehren. Der Rechtsstaat solle "das Seinige" dazu tun. Der SPD-Politiker warnte davor, den "großen Echoraum" Internet mit seinem "unerhörten Verstärkungseffekt" sich selbst zu überlassen; das sei gefährlich. Wo gehetzt werde, sollten die Verursacher zur Verantwortung gezogen werden, auch große Unternehmen. Die Regeln des Rechtsstaats müssten auch im Internet durchgesetzt werden. Wo Recht und Gesetz nicht ausreichten, müssten die Regeln verändert werden.
Auch der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, forderte, Drohungen und Hassbotschaften in sozialen Netzwerken entschieden entgegenzutreten. "Bekanntlich kommt erst das Wort und dann die Tat", sagte Münch. Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, sieht im Verlust religiöser Bindungen einen Grund für das Erstarken von Populismus und Nationalismus. "Wenn Menschen keine spirituelle Bindung haben, dann wissen sie nicht mehr, woran sie ihr Koordinatensystem ausrichten sollen und suchen ein innerweltliches Heil", sagte Jüsten. Das mache sie für Populisten zur leichten Beute.
Die Verunsicherung durch Entwicklungen wie etwa die Globalisierung sei ein Nährboden für Nationalisten und Populisten, die einfache Antworten auf komplexe Probleme gäben, beklagte Jüsten. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warnte ebenfalls vor einem Erstarken rechtspopulistischer Kräfte. "Diese Parteien können nichts anderes anbieten als gegen Flüchtlinge und gegen Minderheiten zu hetzen, und Lösungsansätze habe ich da wenige gehört", sagte er im BR. Für die deutschen Juden sei das eine Gefahr. Schuster zeigte sich überzeugt, dass Rechtspopulisten auch gegen sie hetzen würden, wenn es nur opportun sei.