Karl Marx Philosoph und Wirtschaftstheoretiker

Trier/London · Aufgrund seiner revolutionären Ideen – die stark von Hegel beeinflusst waren – verbrachten Karl Marx und seine Frau Jenny den Großteil ihres Lebens im Exil.

 Karl Marx’ große Liebe Jenny auf einem um 1835 entstandenen Gemälde.

Karl Marx’ große Liebe Jenny auf einem um 1835 entstandenen Gemälde.

Foto: dpa/ADN

Eine der einflussreichsten Schriften der Weltgeschichte hat ihren Ursprung Ende 1847. Damals beauftragt der Londoner Bund der Kommunisten Karl Marx und Friedrich Engels, ein Programm zu verfassen. Ein halbes Jahr später erscheint das „Manifest der Kommunistischen Partei“. Die rhetorisch brillante Schrift gehört heute zum Weltdokumentenerbe der ­Unesco. Sie erklärt die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Widersprüchen und ruft die Arbeiter zum kommunistischen Umsturz auf: „Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen“, heißt es darin. Dann folgen die bekannten Worte: „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“

Im „Manifest“ werden die philosophischen Wurzeln des Wirtschaftstheoretikers Marx deutlich: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist eine Geschichte der Klassenkämpfe“, schreiben Marx und sein Mäzen Engels: hegelsche Dialektik, nach der alle Diskurse These und Antithese enthalten – aus denen eine Synthese entsteht, die sie vereint und die dann etwas ideell Höheres darstellt. Marx verknüpft das mit der Philosophie des Materialismus und betreibt so historische Analysen. In der Geschichte standen sich in seinem Analyseschema stets unterdrückende und unterdrückte Klassen gegenüber – analog zu These und Antithese: Sklaven und Herren, Bauern und Adelige, schließlich Lohnarbeiter und Kapitalisten.

Die Gegensätze sind für ihn Triebkraft der Geschichte und führen nach Revolutionen zu einer neuen, weiter entwickelten Gesellschaftsform – analog zur Synthese. Am Ende der Geschichte steht eine utopische klassenlose Gesellschaft – der historisch nie erreichte Kommunismus, in dem alle Widersprüche aufgehoben sind.

Mit der Philosophie kam der am 5. Mai 1818 in Trier geborene Marx schon von Haus aus in Kontakt: Sein Vater Heinrich – ein jüdischer Rechtsanwalt – schätzt als Liberaler die Ideen der Aufklärung von Rousseau und Voltaire. Doch abgesehen vom geistigen Klima, in dem er aufwächst, ist über die Kindheit von Karl Marx nicht viel bekannt. Er bekommt wohl Privatunterricht vom Vater, bevor er mit zwölf Jahren aufs Gymnasium geht. Später studiert Marx in Bonn und Berlin – zunächst Jura, dann Philosophie. 1843 heiratet Marx seine große Liebe Jenny von Westphalen (1814 bis 1881). Sie bekommen sieben gemeinsame Kinder, von denen aber nur drei das Kindesalter überleben.

Beruflich wendet sich Marx dem Journalismus zu, geht 1842 nach Köln zur liberalen Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe. Schon hier ist seine Haltung radikal, Kommunist wird er aber erst 1844. Da ist die Zeitung längst verboten worden und Karl mit Jenny nach Paris umgesiedelt. 1845 müssen sie auch Frankreich verlassen und ziehen weiter nach Brüssel. Die Revolution von 1848 bringt Marx zeitweise zurück nach Deutschland. Doch 1849 muss er wieder ins Exil – diesmal nach London, wo er bis zum Ende seines Lebens bleibt.

Hier schreibt er unter anderem sein zweites großes Hauptwerk, das heute ebenfalls zum Weltdokumentenerbe zählt: „Das Kapital“ (1867). Darin kommt vor allem der Wirtschaftstheoretiker Marx zur Geltung, der in seiner Analyse zwei Klassen sieht, in die sich die westlichen Industrienationen zu seiner Zeit spalten: die Klasse der abhängig beschäftigten Lohnarbeiter und die Klasse der Kapitalisten. Die Kapitalisten besitzen Produktionsmittel wie Fabriken, Maschinen und „Boden“, also Grundstücke. Marx sieht hier einen zentralen Interessens-Widerspruch: Der Kapitalist will einen möglichst hohen Profit. Den erreicht er dadurch, dass der Unterschied zwischen dem Preis des Produkts und dem Arbeitslohn möglichst groß ist. Je mehr Profit der Kapitalist erwirtschaftet, desto mehr davon kann er in weitere Produktionsmittel oder Böden investieren. Das führt dann zu noch mehr Profit und noch mehr Kapitalbesitz.

Kapitalisten mit wenig Kapital werden so nach und nach verdrängt. Auch sie gehören dann zum Proletariat – zu den Lohnarbeitern ohne Besitz. Durch das Überangebot an Arbeitskräften können die Besitzenden die Löhne weiter senken – der Profit steigt. Am Ende dieses Verdrängungswettbewerbs steht demnach die Konzentration des Kapitals in wenigen Händen und eine völlige Verelendung der Arbeiter: Diese haben irgendwann „nichts zu verlieren als ihre Ketten“: Der Zeitpunkt einer Revolution ist gekommen.

Die erlebt Marx nicht mehr. Als die Bolschewiken 1917 in Russland eine kommunistische Herrschaft errichten, die sich auf Marx’ Ideen berufen, ist ihr „Vordenker“ lange tot: Er stirbt am 14. März 1883 in London. Sein Freund und langjähriger Geldgeber Engels prophezeit an Marx’ Grab: „Sein Name wird durch die Jahrhunderte fortleben und so auch sein Werk!“ Er wird Recht behalten.

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