Personalnot lässt Aktenberge der Polizei wachsen

Saarbrücken · Weil Personal fehlt und trotzdem zusätzliche Mammutaufgaben zu meistern sind, droht bei der Saar-Polizei aus Sicht der Gewerkschaften die Schließung von Dienststellen. Und das in Zeiten erhöhter Terrorgefahr.

 Akten über Akten: Die Saar-Polizei weiß bisweilen nicht, wo ihr die Mütze steht. Fotos: B&B, Fotolia; Montage: SZ

Akten über Akten: Die Saar-Polizei weiß bisweilen nicht, wo ihr die Mütze steht. Fotos: B&B, Fotolia; Montage: SZ

. D er erfahrene Kriminalbeamte in einer Inspektion einer saarländischen Kreisstadt ist optimistisch. Seit Tagen ist er einer Gruppe von Taschen- und Ladendieben auf der Spur. In den nächsten Tagen, so glaubt er, kann er den Fall, der ihn schon länger beschäftigt und den er schon wiederholt wegen aktueller Ereignisse auf dem wachsenden Aktenstapel parken musste, endlich abschließen. Doch es kommt wieder anders. Die Diebe haben Glück. Der akribische Ermittler wird noch einmal abgezogen. Ihre Akte wandert erneut auf den Berg. Der Beamte wechselt vorübergehend den Arbeitsplatz. Beim Landespolizeipräsidium in Saarbrücken wird eine neue Ermittlungsgruppe aus dem Boden gestampft, die er verstärken sol l.

Diese geschilderte Szene ist sicher fiktiv. Glaubt man aber den Schilderungen der Polizeigewerkschaften im Land, kommt sie der Realität sehr nahe. Die Personalnot bei der Saar-Polizei, die derzeit nach Angaben der Polizei-Pressestelle noch 2705 Beamte im aktiven Dienst und 281 Kommissaranwärter zählt, ist riesengroß. Deshalb wird eine Lücke, die sich in einem Ermittlungsbereich öffnet, dadurch gestopft, dass in anderen Kriminalitätsfeldern oder in den rund um die Uhr besetzten Inspektionen neue Löcher gerissen werden.

In der ohnehin angespannten Lage schwebt nach den Anschlägen in Frankreich und dem vereitelten Attentat in Belgien über allem noch das Damoklesschwert der verschärften Terrorgefahr . Im Fall des Falles würde das wiederum ein massives Personalaufgebot bedeuten. Dass das Saarland kein weißer Fleck auf der Landkarte der Islamisten ist, ist spätestens seit den verhinderten Anschlägen der Sauerlandgruppe bekannt. Derzeit leben im Saarland mehrere "Gefährder", als gewaltbereit eingestufte Islamisten .

Ralf Porzel, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sowie seine Kollegen Helge Stoll vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und Sascha Alles von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sind sich in der Lagebewertung einig: "Bei der Saar-Polizei fehlt Personal an allen Ecken." Geht der von der Politik verordnete Personalabbau von 300 Stellen bis zum Jahr 2020 wie geplant weiter, droht unter dem Strich die Schließung von einigen der 37 Polizeiposten oder von sogenannten B-Inspektionen. Hier handelt es sich um solche Dienststellen, in denen pensionierte Beamte nicht mehr ersetzt werden und die mangels Personal nachts zeitweise geschlossen werden können. Dies wird in Blieskastel, Wadern und Nohfelden-Türkismühle bereits an einzelnen Tagen praktiziert. Bei bestimmten Dienststellen, so fürchtet die Polizei , könnten bald die Lichter ganz ausgehen, weil die Personalnot immer größer wird und ständig neue Herausforderungen vom Sicherheitsapparat zu meistern sind.

Mehr als 250 000 Überstunden sind aufgelaufen. Mit dem Überstundenberg wächst auch der Berg der unerledigten Akten und Fälle. "Die Politik muss sagen, wo und welche Prioritäten zu setzen sind", reklamieren die Gewerkschaftsvertreter Porzel und Stoll. Und ihr Kollege Alles ergänzt: "Wenn Ermittlungsgruppen eingesetzt werden, dann leidet der Alltag." Rückstände gibt es nach SZ-Informationen auch in sensiblen Kriminalitätsfeldern wie etwa bei aufwändigen Wirtschaftsdelikten.

Aktuell ist die Lage besonders angespannt. Die seit 2012 arbeitende Ermittlungsgruppe Wohnungseinbruch und die flankierenden Sonderaktionen kosten auf Dauer viel Personal. Die Fallzahlen steigen trotzdem. Weitere Ermittlungsgruppen, etwa im Bereich Gewalt- und Internetkriminalität, sind am Werk. Vor einer echten Herkulesaufgabe stehen die Polizeichefs, wenn tatsächlich künftig jeden Montag drei Demonstrationen (Antifa, Saargida und "Bunt statt braun") in Saarbrücken oder anderswo durch die Straßen ziehen. Etwa 300 Polizisten sind dann ebenfalls unterwegs. Spielen zudem noch die Viertligisten in Saarbrücken und Elversberg Fußball und gewaltbereite Fanblöcke sind zu kontrollieren, ist das für die Polizei nach allen Regeln der Personalplanung nicht zu stemmen. Immerhin ist der Alltagsbetrieb in den 20 Inspektionen noch zu gewährleisten. Natürlich kann personelle Verstärkung aus anderen Bundesländern angefordert werden. Aber das kostet Geld.

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HintergrundVier Tage nach der Festnahme zweier mutmaßlicher Islamisten haben die Berliner Sicherheitsbehörden ihre Ermittlungen ausgeweitet. Gestern Morgen durchsuchten rund 200 Polizisten, Staatsanwälte und ein Spezialeinsatzkommando weitere Wohnungen - elf in Berlin, eine in Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam und eine in Nordhausen in Thüringen, wie die Polizei mitteilte. Die Durchsuchungen sollten weitere Beweise für terroristische Aktivitäten in Syrien bringen. Anhaltspunkte dafür, dass von der Gruppe Anschläge in Deutschland geplant worden seien, lägen jedoch weiterhin nicht vor, sagte ein Polizeisprecher. dpa

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