Pensionslasten erdrücken die Europäische Union

Brüssel. "Der europäische Gedanke drückt sich nicht in steigenden Budgets aus." Als dieser Satz vor einer Woche beim EU-Gipfel in Brüssel von einem der Staats- und Regierungschefs fiel, war der Bericht der Brüsseler Statistikbehörde Eurostat noch nicht bekannt. Inzwischen ließ sich das 20-seitige Papier nicht länger geheim halten, obwohl es politischen Sprengstoff enthält

Brüssel. "Der europäische Gedanke drückt sich nicht in steigenden Budgets aus." Als dieser Satz vor einer Woche beim EU-Gipfel in Brüssel von einem der Staats- und Regierungschefs fiel, war der Bericht der Brüsseler Statistikbehörde Eurostat noch nicht bekannt. Inzwischen ließ sich das 20-seitige Papier nicht länger geheim halten, obwohl es politischen Sprengstoff enthält.Nach Berechnungen der Euro stat-Experten rollt eine Riesenwelle an finanziellen Belastungen auf die Union zu: Bis zu 100 Milliarden Euro werden innerhalb der nächsten 50 Jahre an Pensionen für ehemalige europäische Beamte fällig. 50 000 Bedienstete gehören den Verwaltungen von Rat, Kommission und Parlament in Brüssel heute an. Die Bundesregierung sieht keine Chance, die Ausgabenwelle zu stoppen. "Das alleinige Initiativrecht für Änderungen des EU-Beamtenstatus' liegt bei der Kommission", betont man in Berlin. Michael Mann, Sprecher des Kommissars für Interinstitutionelle Beziehungen und Verwaltung in Brüssel, hält dagegen: 2004 gab es bereits eine Reform - mit spürbaren Wirkungen. "Die Ausgaben steigen nicht proportional zur Zahl der Pensionäre", erklärt er. "Nur" 83 Prozent Mehrkosten würden in den nächsten Jahren erwartet. "Ohne die Reform würden die Ausgaben um 168 Prozent ansteigen." Eigentliche Ursache sind die im Vergleich zu ihren Länder-Kollegen deutlich höheren Bezüge der EU-Beamten. Die Grundgehälter bewegen sich je nach Position und Anzahl der Dienstjahre zwischen 2500 und mehr als 17 000 Euro im Monat. 37 Top-Beamte kommen (mit zwei Kindern) sogar auf 24 029,49 Euro. Dementsprechend fällt ihre Pension mit 12 600 Euro brutto (das Mittel der EU-Ruhestandsgelder liegt bei 5628,40 Euro) im Monat deutlich höher aus als etwa die durchschnittlichen Bezüge der deutschen Staatsdiener, die im vergangenen Jahr exakt 2570 Euro betrugen. Damit nicht genug. Üblicherweise sollten EU-Beamte mit 63 Jahren in Rente gehen (nach 35 Dienstjahren gibt es dann 70 Prozent des letzten Gehaltes). Tatsächlich liegt nach Angaben des Bundesfinanzministeriums das durchschnittliche Eintrittsalter bei 60,04 Jahren - die Abschläge für den vorzeitigen Ruhestand von 3,5 Prozent pro Jahr wirken sich dadurch kaum aus. Inzwischen hat die Kommission offenbar zusätzlichen Ärger am Hals. Gestern wurde bekannt, dass einige bereits ausgeschiedene Kommissare Übergangsgelder von bis zu 96 000 Euro im Jahr kassieren, obwohl sie längst einen anderen Job angenommen haben. Der frühere irische Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy (Foto: afp) lässt sich beispielsweise weiter rund 11 000 Euro monatlich überweisen, obwohl er längst einen Job beim Billigflieger Ryanair angenommen hat. Es entspricht zwar der geltenden Praxis, dass die ehemaligen Spitzenleute einer Kommission zwischen 40 und 65 Prozent ihres letzten Monatsgehaltes als Übergangshilfe bekommen. Aber eben nur so lange, bis sie wieder eine andere bezahlte Stellung angenommen haben. Meinung

Üppiger Bürokraten-Apparat

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Das Thema eignet sich nicht für neidische Blicke nach Brüssel. Es gibt kaum einen Finanzminister, der nicht unter den zu erwartenden Pensionsausgaben stöhnt. Pensionen gehören zum sozialen Netz eines Staates. Über deren Höhe kann man nicht streiten, wohl aber über das Ausgangsgehalt zur aktiven Zeit. Ja, die EU entlohnt ihre Mitarbeiter fürstlich, in manchen Fällen auch jenseits der nachvollziehbaren Anforderungen, die innerhalb einer europäischen Behörde höher sind als in einem nationalen Ministerium. Aber auch da steht die EU nicht alleine da. Jedes Land honoriert diejenigen, die ein Leben im Ausland auf sich nehmen, deutlich besser als jene, die zuhause bleiben. Die eigentliche Frage lautet: Braucht Europa einen dermaßen üppig ausgestatteten Apparat, der auch noch ständig erweitert wird?

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