Paukenschlag zur Kardinalsernennung

München/Rom. In Rom hatten wenige Stunden vorher die 24 neuen Kardinäle ihren Kardinalspurpur erhalten - wie auch der frührere Trierer Bischof und jetztige Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, als sich am frühen Samstagabend eine Neuigkeit aus dem Vatikan verbreitete: Papst Benedikt XVI. sagt Ja zum Einsatz von Kondomen im Kampf gegen Aids

 Reinhard Marx (links) trägt jetzt Purpur: Am Samstag ernannte Papst Benedikt XVI. den Erzbischof von München und Freising im Petersdom in Rom zum Kardinal. Foto: dpa

Reinhard Marx (links) trägt jetzt Purpur: Am Samstag ernannte Papst Benedikt XVI. den Erzbischof von München und Freising im Petersdom in Rom zum Kardinal. Foto: dpa

München/Rom. In Rom hatten wenige Stunden vorher die 24 neuen Kardinäle ihren Kardinalspurpur erhalten - wie auch der frührere Trierer Bischof und jetztige Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, als sich am frühen Samstagabend eine Neuigkeit aus dem Vatikan verbreitete: Papst Benedikt XVI. sagt Ja zum Einsatz von Kondomen im Kampf gegen Aids. "Im einen oder anderen Fall" könne es in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, "ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität", sagte der Papst dem Autoren Peter Seewald. Das Oberhaupt der katholischen Kirche verbindet seine Zustimmung zwar mit manchen Einschränkungen - aber nicht nur, weil sie so unerwartet kommt, ist sie eine Sensation.

Das im Sommer in der päpstlichen Residenz Castel Gandolfo vom Papst und Seewald geführte Gespräch, das am Mittwoch in Buchform erscheint, könnte zur sexuellen Revolution der katholischen Kirche werden. Denn der Papst warf eine Position über den Haufen, die zwar angesichts des durch Aids entstandenen Elends weltfremd erschien, aber wie zementiert wirkte. Benedikt selbst hatte noch im März vergangenen Jahres bei seinem Afrikabesuch Empörung hervorgerufen: "Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem", sagte er damals. Nun findet der Papst nicht nur seine damalige Aussage missverstanden, er bricht auch mit der Position seines Vorgängers Johannes Paul II. Dieser hatte 1993 die eheliche Treue als einziges Mittel gegen Aids bezeichnet. Benedikt nennt nun in einem Atemzug mit Enthaltsamkeit und Treue das Kondom als Schutzmöglichkeit - obwohl dieses nur ein "Ausweichpunkt" sei, falls die beiden anderen Punkte nicht greifen. In dieser Position sehe er sich mit weltlichen Organisationen auf einer Linie, die inzwischen auch Enthaltsamkeit und Treue im Kampf gegen Aids fordern würden. Die Wende des Papstes ist nicht so radikal, dass er etwa allen künstlichen Verhütungsmitteln wie auch der Pille den Segen erteilt. Aber selbst die eingrenzende Formulierung, "begründete Einzelfälle" wie etwa Prostituierte könnten Kondome nutzen, ist ein Quantensprung gegenüber der bisherigen Sichtweise des Vatikans.

Mit seiner Kehrtwende beim Kondomgebrauch geht der bisher so konservativ aufgetretene Papst auf Konfrontationskurs zum rechten Flügel der Kirche. Gerade die erzkonservativen Gläubigen sahen in der strikten Ablehnung von Präservativen eine besondere moralische Qualität der katholischen Kirche. Entsprechend laut fiel der Aufschrei in den Internetforen der Erzkonservativen aus. Während der Papst diese Gruppen nun heftig verärgert, dürfte er sich im bisher skeptischen liberalen Lager Zustimmung sichern.

Meinung

Überraschende Kehrtwende

Von SZ-Redakteur

Jörg Wingertszahn

Zu Beginn seines Pontifikats hatten Beobachter Papst Benedikt XVI. durchaus die eine oder andere positive Überraschung zugetraut - die aber dann ausblieb. Vielmehr zementierte der früher Panzer-Kardinal Gescholtene altbekannte konservative, gar erzkonservative Positionen der katholischen Kirche. Dass er nun die Verwendung von Kondomen - wenn auch nur in Einzelfällen - für gerechtfertigt hält, ist eine Riesen-Überraschung. Vielleicht eine historische Wende, in jedem Fall ein großer Fortschritt im Kampf gegen Aids. Ähnlich hatten sich zwar immer wieder hochrangige Kirchenvertreter wie Reinhard Marx oder der frühere Mailänder Erzbischof Martini geäußert, von einem Papst hat man so etwas jedoch noch nie gehört.

Warten wir ab, ob seine Aussage so stehen bleibt. Allzu oft hat sich Benedikt XVI. nämlich in der Vergangenheit korrigieren müssen. Sollte er jedoch bei seiner Haltung bleiben, hat der deutsche Papst in Sachen Sexualmoral tatsächlich die Tür zur Moderne geöffnet.

 Reinhard Marx (links) trägt jetzt Purpur: Am Samstag ernannte Papst Benedikt XVI. den Erzbischof von München und Freising im Petersdom in Rom zum Kardinal. Foto: dpa

Reinhard Marx (links) trägt jetzt Purpur: Am Samstag ernannte Papst Benedikt XVI. den Erzbischof von München und Freising im Petersdom in Rom zum Kardinal. Foto: dpa

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