Paukenschläge und ein Hauskrach

München/Kreuth · Selten gehen CSU-Politiker offen auf Konfrontation zu Horst Seehofer. Ausgerechnet Ilse Aigner, mögliche Nachfolgerin des Parteichefs, wagte mit eigenen Plänen zur Energiewende Widerstand. Mit Folgen für den CSU-Jahresauftakt in Kreuth.

CSU-Haudegen und Bundestagsabgeordneter Peter Gauweiler freute sich gestern Morgen beim Eintreffen in Wildbad Kreuth. Die CSU habe gleich zu Beginn des Jahres für "Belebung und Frische" gesorgt und der politischen Szenerie "Hallowach-Tabletten" verabreicht. Tatsächlich sorgen die Christsozialen seit Weihnachten im Alleingang für innenpolitische Schlagzeilen. Eine weitere kam gestern dazu: Ilse Aigner kontra Horst Seehofer.

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer war angeblich gar nicht amüsiert vom Vorschlag seiner Stellvertreterin und bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die steigenden Kosten der Energiewende über einen Fonds zu finanzieren (siehe auch Grafik zum EEG - Erneuerbare-Energien-Gesetz). Aigner konterte Seehofers Reaktion mit der Aussage, "es reicht nicht, immer nur Nein zu sagen". Vermutungen, wonach es sich um mehr als eine Abstimmungspanne handelte, wurden durch hektische Zeitplanänderungen genährt.

So sollte sich Seehofer eigentlich am frühen Nachmittag in Kreuth zusammen mit der Landesgruppenvorsitzenden Gerda Hasselfeldt den Medien präsentieren und anschließend hinter verschlossenen Türen seine übliche "Grundsatzrede" halten. Doch kurzfristig wurde der Plan umgeworfen. Seehofer leitete bis nachmittags um drei eine Kabinettssitzung und erschien erst zum Abendessen in Kreuth.

Am Nachmittag verkündete Seehofers Staatskanzlei-Ministerin Christine Haderthauer: Aigners Überlegungen, die Strompreise kurzfristig auf Pump abzufedern, würden "derzeit nicht weiterverfolgt". Es habe zwar in der Kabinettssitzung keinen Beschluss gegeben, nach einer Aussprache hätten sich aber alle darauf geeinigt, auch Wirtschaftsministerin Aigner, und zwar ohne Machtwort des Regierungschefs. Man wolle in der Energiewende jetzt erst einmal "die Dinge, die im Koalitionsvertrag drin stehen", umsetzen.

Seehofer und Aigner hätten bereits am Wochenende miteinander gesprochen, so dass kein "Sturm" stattgefunden und die Diskussion um diesen speziellen Teil des Energiekonzepts nur sehr kurz gedauert habe. Merkwürdig blieb, dass die Kabinettssitzung ungewöhnlich lange dauerte und entgegen sonstiger Gepflogenheiten bei wichtigen Themen weder die zuständige Ministerin noch der Ministerpräsident anschließend vor die Presse traten. Aigner äußerte sich anschließend in ihrem Ministerium mit moderaten Tönen.

In der Partei wäre Aigner mit ihrem Vorschlag, die Strompreissteigerung durch später zu tilgende Kredite abzufangen, auf wenig Zustimmung gestoßen. Das sei "in jeder Hinsicht ein Irrweg", urteilte der frühere bayerische Finanz- und Wirtschaftsminister Erwin Huber, "politisch, finanzwirtschaftlich, ökologisch, energiewirtschaftlich und beihilferechtlich." Aigners Konzept sei "nicht akzeptabel", ließ der CSU-Mittelstandspolitiker Hans Michelbach wissen. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) fand hingegen Gefallen an Aigners Ideen. Damit ließen sich die Stromkosten am Industriestandort Deutschland "kurzfristig, aber nachhaltig senken", lobte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Seehofer hat die im sonnigen Kreuth tagende CSU-Landesgruppe jedenfalls der Beschäftigung mit diesem Thema enthoben. Landesgruppenchefin Hasselfeldt ist darüber nicht böse, hat sie doch weitere Hallowach-Tabletten zu verteilen. Zum Beispiel das Thema Sozialmissbrauch mit der Kampfansage "Wer betrügt, der fliegt". "Ich wüsste keinen Grund", so Hasselfeldt in Kreuth, "warum ich daran nicht festhalten sollte." In einer konzertierten Aktion nahm die CSU führende sozialdemokratische Kommunalpolitiker, allen voran die Oberbürgermeister von München und Nürnberg, Christian Ude und Ulrich Maly, als Kronzeugen für die Notwendigkeit eines Einschreitens gegen Armutsflüchtlinge in Anspruch. Beide hätten in Brandbriefen an alle Bundestagsabgeordneten und die Parteivorsitzenden zum Handeln aufgefordert, hieß es.

Heute wollen die CSU-Bundestagsabgeordneten in Kreuth einen Beschluss verabschieden, in dem der Grundsatz "Wer betrügt, der fliegt" wörtlich festgehalten wird.

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