Parteien machen Berlin zur Party-Meile

Für den Herrn der Zahlen, Bundeswahlleiter Roderich Egeler, ist im Reichstag alles angerichtet: Auf einer „Präsentationsfläche“ in der Abgeordnetenlobby wird Egeler am Wahlsonntag vor den Fernsehkameras seine Erklärungen abgeben. „15.

30 Uhr Zwischenergebnis zur Wahlbeteiligung", steht beispielsweise im Ablaufplan. Ab 20 Uhr trudeln dort auch die amtlichen Resultate aus den 299 Wahlkreisen ein, bis Egeler dann in den frühen Morgenstunden das vorläufige Endergebnis der Bundestagswahl verkünden wird.

Berlin ist im Wahlfieber. Dort, wo die Wahlpartys stattfinden, wurden gestern noch Bildschirme aufgehängt, Kabel verlegt, Kameras aufgebaut oder die Partyzonen um Zelte erweitert, damit möglichst viele Anhänger untergebracht werden können. Mit 2500 Gästen rechnet die Union rund um das Konrad-Adenauer-Haus. Angela Merkel wird am späten Nachmittag in der Parteizentrale erwartet, wo sie dann im Präsidiumszimmer im fünften Stock des Hauses die Prognose und die ersten Hochrechnungen verfolgen wird. An ihrer Seite wollen unter anderem CSU-Chef Horst Seehofer, Generalsekretär Hermann Gröhe und Finanzminister Wolfgang Schäuble sein. Reicht es wieder für Schwarz-Gelb, dürfte der Jubel groß werden. Wenn nicht, erwarten die Kanzlerin politisch komplizierte Tage. Dass Merkel ihr Amt freilich verlieren könnte, glaubt niemand bei der CDU.

Auch die SPD hat sich b(e)reit gemacht. Am Willy-Brandt-Haus wurde die Stresemannstraße zur Zeltstadt umgebaut, weil die Genossen "mehrere Tausend" Gäste erwarten - darunter allein 1300 Medienvertreter. Wie die Union fährt auch die SPD ein "bodenständiges Buffet" auf, es gibt Currywurst, Bockwurst, Salate. Die Parteikassen sind nach dem teuren Wahlkampf bei allen leer. Vorstand, Kompetenzteam und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wollen gemeinsam im Präsidiumssaal die ersten Ergebnisse im TV verfolgen. Wie immer das Ergebnis ausfällt, Jubel ist oberstes Gebot bei den Genossen.

Mit der FDP zittern wollen 1400 Gäste. Die Liberalen feiern im schicken Berliner Congress-Center nahe dem Alexanderplatz, da die Parteizentrale für die Fete zu klein ist. "Finger Food" wird gereicht, in einem Besprechungsraum hinter der Bühne wird die Parteiführung um Philipp Rösler und Spitzenmann Rainer Brüderle die Hochrechnungen verfolgen, bevor es dann in den Saal geht. Bei der FDP könnten Frust und Freude besonders nah beieinander liegen: Schafft sie es wieder ins Parlament? Bleibt sie in der Regierung? Der Abend wird spannend für die Partei. So wie auch für die Grünen, die wegen des Steuerthemas und der Pädophilie-Debatte zuletzt in den Umfragen deutlich verloren haben. Sollte die Wahl für sie eine Enttäuschung werden, wird sich die Columbia-Halle nahe dem ehemaligen Flughafen Tempelhof schnell leeren. Die beiden Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt wollen dort frühzeitig den Wahlausgang kommentieren, an die 1000 Besucher werden erwartet. "Es gibt Brezeln", so eine Sprecherin bescheiden.

Demgegenüber geht es den Linken an diesem Abend zunächst darum, möglichst drittstärkste Kraft im Bundestag zu werden und die Grünen erneut hinter sich zu lassen. Rund 1000 Genossen werden bei der Wahlparty erwartet. Es wird gegrillt, es gibt alkoholfreies Bier und russische Volksmusik. Die Linken-Führung wird erst in der Parteizentrale, dem Karl-Liebknecht-Haus, den Wahlausgang verfolgen, bevor man mit Gregor Gysi an der Spitze zu den Anhängern stößt. Gefeiert wird auf dem Prenzlauer Berg, im Kesselhaus der dortigen Kulturbrauerei.

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