Dritte Abstimmung Immer neue Probleme im Brexit-Chaos

London · Premier May will das Parlament noch mal über den Deal abstimmen lassen. Doch auch dieses Vorhaben wackelt.

 Premier May hat ein neues Problem: Der Parlamentspräsident erklärt, dass eine dritte Abstimmung unmöglich ist. Aus historischen Gründen.

Premier May hat ein neues Problem: Der Parlamentspräsident erklärt, dass eine dritte Abstimmung unmöglich ist. Aus historischen Gründen.

Foto: dpa/Thierry Roge

Im Königreich ist es derzeit ein Leichtes, den Überblick zu verlieren. Wird der Brexit verschoben? Oder doch nicht? Treten die Briten mit Deal aus? Oder ohne? Kann beides sein. Kommt möglicherweise darauf an, ob das Parlament diese Woche noch einmal über das zwischen London und Brüssel verhandelte Scheidungsabkommen abstimmen darf. Bleibt Premierministerin Theresa May überhaupt noch lange in der Downing Street? Oder wird sie wie auf dem Basar in einem Tauschhandel anbieten, ihr Amt aufzugeben, um im Gegenzug die Zustimmung ihrer zahllosen Kritiker zum Deal zu erreichen? Und wie lange macht die EU das Spiel mit? Das Brexit-Drama dauert an, das Chaos wird immer größer. Und nun schaltete sich auch noch Unterhaussprecher John Bercow ein und warnte May mit Verweis auf eine Regel aus dem 17. Jahrhundert, sie könne nicht den „im Wesentlichen gleichen“ Deal ein drittes Mal dem Parlament vorlegen, ohne dass dieser zuvor verändert wurde. Die Premierministerin muss am Donnerstag wohl mit leeren Händen zum EU-Gipfel reisen.

Die Entscheidung, ob und wann das Parlament in dieser Woche zum dritten Mal über den Deal abstimmt, sollte am heutigen Dienstag fallen. So jedenfalls lautete der Plan. Doch wieder einmal scheint die Regierungschefin in letzter Minute ihr Versprechen zu kassieren. Medien berichten, dass die Abstimmung kurzfristig abgesagt werden soll. May wolle den Deal erst dem Parlament vorlegen, wenn es beim dritten Anlauf eine Aussicht auf Erfolg gebe, bestätigten mehrere Minister. Der aber führt nach Ansicht der Konservativen nur über die erzkonservative nordirische Unionistenpartei DUP, auf deren Stimmen die Minderheitsregierung angewiesen ist. Die EU-Skeptiker aus dem Norden lehnen jegliche Sonderrolle Nordirlands ab. Bislang auch das Abkommen. Seit Tagen laufen hinter den Kulissen die Gespräche. Mit der Unterstützung der DUP könnten auch viele bislang rebellierende  Bre­xit-Hardliner in einem Domino-Effekt ihren Widerstand aufgeben und doch für den Vertrag stimmen. Knapp würde es für May trotzdem. Erst am vergangenen Dienstag hatte das in etliche Brexit-Lager zersplitterte Parlament den Kompromiss mit großer Mehrheit zum zweiten Mal abgelehnt und May erneut eine krachende Niederlage beschert.

Es hat wieder eine Woche begonnen, die abermals als die entscheidende beim Dauer-Thema Brexit angekündigt wurde. Und täglich grüßt das Murmeltier. Natürlich fehlte es gestern auch nicht an deutlichen Äußerungen von Ex-Außenminister Boris Johnson. Er beglückt die Nation jeden Montag mit einer Kolumne in seinem Hausblatt „The Telegraph“ und schießt öffentlich gegen die Premierministerin, an deren Stuhl er sägt. Er nannte ein mögliches Votum in den nächsten Tagen „absurd“ und verwies auf den EU-Gipfel. „Es ist noch nicht zu spät, echte Änderungen am Backstop zu erzielen“, schrieb er mit Bezug auf die im Vertrag festgeschriebene Garantie für eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland. Die Brexit-Hardliner befürchten, Großbritannien könnte dadurch auf Dauer an die EU gekettet bleiben. Sie fordern deshalb eine zeitliche Befristung oder ein einseitiges Kündigungsrecht des Backstop. Das lehnt die EU ab, wie auch den Wunsch, das Paket noch mal aufzuschnüren. Könnte May deshalb tatsächlich in den nächsten Tagen weitere Konzessionen in Brüssel erreichen? Noch ist nicht einmal klar, ob die übrigen 27 Mitgliedstaaten einer vom britischen Parlament geforderten Verlängerung der Scheidungsfrist zustimmen werden. Zumindest ein dreimonatiger Aufschub scheint unausweichlich, selbst wenn der Austrittsdeal nun vom Parlament gebilligt werden sollte. Zu knapp ist die Zeit, um den Brexit bis zum 29. März formal korrekt abzuwickeln und die Gesetzgebung anzupassen, wie Experten betonen. Aber auch sie halten nichts mehr für ausgeschlossen.

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