Frankreich Pariser Charme triumphiert über Terror

Paris · Anderthalb Jahre nach den Anschlägen  steigt die Zahl der Frankreichbesucher wieder. Aus dem Andrang ergeben sich aber auch Probleme.

Sie stehen Schlange vor dem Eiffelturm, drängen sich in den Schlössern der Loire oder liegen an den Stränden der Côte d’Azur: Die Touristen sind zurück in Frankreich. Anderthalb Jahre nach den Anschlägen von Paris hat sich das Land von dem Rückschlag erholt, den der Terrorismus für das Reiseziel Nummer eins bedeutete. Bis zu 89 Millionen ausländische Besucher werden dieses Jahr erwartet nach nur 82,5 Millionen 2016. „Es gibt einen auffälligen Zuwachs für Paris und sein Umland“, sagt Thomas Schmidt, Sprecher der französischen Tourismuszentrale Atout France in Deutschland.

 Dass in der französischen Hauptstadt an jeder Ecke schwer bewaffnete Soldaten stehen, scheint die Reisenden nicht zu stören. „Wir wollen auf alle Fälle auf den Eiffelturm“, versichert Guillermo, ein Student aus Mexiko. Der 24-Jährige hat gelesen, dass dort am Wochenende ein Mann mit einem Messer versuchte, einen Soldaten anzugreifen. „Aber ich wehre mich dagegen, Angst zu haben. Wir müssen nur große Menschenansammlungen vermeiden.“

Auch Mariam aus Armenien hat keine Angst, Paris nach den Anschlägen 2015 zu besuchen. „No problem“, sagt die elegante End-Zwanzigerin. Die furchtbaren Ereignisse im Konzertsaal Bataclan und auf den Terrassen der Cafés rings herum sind für sie und ihre Familie schon längst Vergangenheit. „Einerseits gibt es eine gewisse Gewöhnung, und andererseits heilt die Zeit manche Wunden“, kommentiert Schmidt die Entwicklung.

 Für Frankreich ist der Anstieg der Besucherzahlen eine gute Nachricht, denn der Tourismus macht acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Zwei Millionen Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt an der Reiseindustrie. Kein Wunder also, dass die Regierung noch mehr Touristen nach Frankreich locken will. „Der Ehrgeiz der Regierung besteht darin, den ersten Platz zu halten und bis 2020 auf 100 Millionen ausländische Touristen zu kommen“, heißt es in einer Erklärung. Zweimal im Jahr treffen sich alle für den Tourismus zuständigen Minister und Vertreter der Reisebranche, um darüber zu beraten, wie das Ziel erreicht werden kann.

Der Ende Juli beschlossene „Plan Tourisme“ sieht vor, die Passkontrollen an den Flughäfen zu verkürzen und Visa für einige Länder, aus denen besonders zahlungskräftige Besucher kommen, innerhalb von 48 Stunden auszustellen. Auch die Autobahnen und Zugverbindungen zu den Pariser Flughäfen sollen ausgebaut werden. Für Didier Arino von der Agentur Protourisme ist das alles nur Augenwischerei. „Man muss mit dem Theater aufhören, alle Touristen zählen zu wollen, die Frankreich nur durchqueren, um nach Spanien oder Italien zu fahren“, fordert er im Radiosender France Info. Auf rund 20 Prozent wird der Anteil der „Nomaden“ geschätzt, die nur auf der Durchreise sind. „Was die Einnahmen angeht, sind wir nur auf dem vierten Platz weltweit“, kritisiert Arino. In der Tat schneidet Spanien, das Touristenziel Nummer drei, bei den Ausgaben deutlich besser ab als Frankreich, wo die Touristen durchschnittlich nur 662 Dollar lassen.

Doch Spanien ist kein Vorbild für das nördliche Nachbarland. „Frankreich wird nie dem spanischen Modell nacheifern, das sich durch einen Massentourismus an den Badeorten auszeichnet, den wir gar nicht wollen“, sagt Christian Mantei, der Generaldirektor von Atout France, der Zeitung „Libération“. Schon jetzt stößt die Aufnahmekapazität bestimmter Sehenswürdigkeiten an ihre Grenzen. So müssen Besucher des Schlosses Versailles im Sommer bis zu vier Stunden anstehen, bevor sie in den Palast des Sonnenkönigs kommen. Lange Schlangen gibt es auch vor dem Eiffelturm und dem Louvre, dessen Besucherzahl sich innerhalb von 30 Jahren verdreifacht hat.

Die Innenstadt von Paris leidet ebenfalls unter dem Ansturm: ganze Viertel sind von Unterkünften des Anbieters Airbnb dominiert, für den die französische Hauptstadt das Ziel Nummer eins geworden ist. 20 000 Wohnungen hat Paris dadurch verloren. Nun will die Stadtverwaltung den Wildwuchs begrenzen und Vermieter registrieren, die ihre Zimmer an Touristen anbieten. Denn auch wenn Paris vom Tourismus lebt, will die Stadt durch die Besucher nicht ihre Identität verlieren.

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