Papst wirbt in Frankreich für neues Nachdenken über Kirche und Staat

Paris. Zum Auftakt seines viertätigen Besuchs im laizistischen Frankreich hat sich Papst Benedikt XVI. für eine stärkere gesellschaftliche Rolle der Religion ausgesprochen. Über die Trennung von Kirche und Staat müsse neu nachgedacht werden, sagte er bei einem Empfang im Elysée-Palast

Paris. Zum Auftakt seines viertätigen Besuchs im laizistischen Frankreich hat sich Papst Benedikt XVI. für eine stärkere gesellschaftliche Rolle der Religion ausgesprochen. Über die Trennung von Kirche und Staat müsse neu nachgedacht werden, sagte er bei einem Empfang im Elysée-Palast. Damit stellte er sich ausdrücklich hinter das von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy beworbene Konzept der "positiven Laizität". Für Benedikt XVI. ist es die erste Reise nach Frankreich seit Beginn seines Pontifikats vor dreieinhalb Jahren. Sarkozy hatte ihn zusammen mit seiner Gattin Carla Bruni am Vormittag persönlich am Flughafen Orly abgeholt - eine besondere Ehre, die nur sehr wenigen Gästen zuteil wird. Der Papst bleibt vier Tage und wird nach einer großen Messe vor dem Invalidendom in Paris den Wallfahrtsort Lourdes in den Pyrenäen besuchen, der in diesem Jahr das 150. Jubiläum der Marienerscheinungen feiert. Die katholische Kirche leidet ausgerechnet in Frankreich, das oft als ihre "älteste Tochter" bezeichnet wird, unter einer stark schrumpfenden Schar von Gläubigen. Die französischen Katholiken haben denn auch hohe Erwartungen an den Besuch Benedikt XVI.. Denn trotz der "guten Meinung", die 53 Prozent der Befragten in einer Exklusiv-Umfrage der Tageszeitung "Le Parisien" für ihn kundtaten, empfinden viele Menschen in Frankreich den wegen seiner deutschen Herkunft in der Vergangenheit oft als "Panzer-Kardinal" bezeichneten Papst als zu konservativ. "Der Papst - das bleibt für viele Franzosen zunächst Johannes Paul II.", sagt der Pariser Erzbischof André Vingt-Trois. "Bisher hat Benedikt bei uns noch ein Image-Problem. Sein Besuch ermöglicht uns nun, seine Persönlichkeit, seine Stimme und seine Art kennen zu lernen." Doch von der politischen Opposition hagelte es gleich Kritik. Sarkozy habe den Papst wie einen Staatschef empfangen, kritisierte sie. Das Staatsoberhaupt nutze den hohen Besuch, um sich selber zu profilieren und um für sein Konzept der "positiven Laizität", für die Rückbesinnung auf die "christlichen Wurzeln", für den offenen Dialog zwischen Religion und Politik zu werben. In Frankreich ist die strikte Trennung von Staat und Kirche seit 1905 in der Verfassung festgeschrieben. Oppositionspolitiker fürchten nun, Sarkozy wolle diese Trennung aufweichen. Benedikt XVI. gab dem Staatsoberhaupt Rückendeckung für sein Konzept. Er sei überzeugt, dass in einer Zeit, "in der sich die Kulturen immer mehr verflechten", ein neues Nachdenken über Sinn und Bedeutung der Trennung von Staat und Kirche notwendig seien, sagte er bei seinem Empfang im Elysée-Palast in fließendem Französisch. "Religionen und Politik müssen offen füreinander sein." Es sei zwar notwendig, "auf einer Unterscheidung zwischen politischem und religiösen Bereich zu bestehen". Doch es sei auch wichtig, dass sich die Politik "der unersetzlichen Funktion der Religion für die Gewissensbildung" und ihres Beitrags für einen "ethischen Grundkonsens innerhalb der Gesellschaft deutlicher bewusst werde". Gleichzeitig warnte der Papst in einer Rede vor 700 Vertretern aus Kultur, Politik und Wirtschaft vor einer Verdrängung des Glaubens aus dem öffentlichen und wissenschaftlichen Leben. Die Suche nach Gott habe die Kultur Europas begründet und bleibe auch heute Grundlage jeder wahren Kultur.

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