Papst-Attentäter will "perfektes Christentum" verkünden - und viel Geld verdienen

Istanbul. Darauf hat die Welt gewartet. Mehmet Ali Agca, jener Mann, der vor 31 Jahren in Rom auf Papst Johannes Paul II schoss, will das "perfekte Christentum" verkünden. Am kommenden Montag endet Agcas Haftzeit in der Türkei. Zum ersten Mal seit 1981 wird der heute 52-jährige Rechtsextremist ein freier Mann sein

Istanbul. Darauf hat die Welt gewartet. Mehmet Ali Agca, jener Mann, der vor 31 Jahren in Rom auf Papst Johannes Paul II schoss, will das "perfekte Christentum" verkünden. Am kommenden Montag endet Agcas Haftzeit in der Türkei. Zum ersten Mal seit 1981 wird der heute 52-jährige Rechtsextremist ein freier Mann sein. Schon jetzt sorgt die anstehende Haftentlassung für beträchtlichen Wirbel, wobei Agca selbst nach Kräften mithilft. So kündigt er aus seiner Zelle heraus nicht nur eine grundlegende Reform des Christentums an - sondern machte auch klar, dass er als neuer Heilsbringer erst einmal kräftig Kasse machen will.

In der Türkei sitzt Agca nicht wegen des Attentates auf dem Petersplatz im Gefängnis, sondern wegen der Ermordung des Journalisten Abdi Ipekci zwei Jahre vorher. Damals, Ende der 1970er, tobte auf den Straßen der Türkei ein Krieg zwischen Linken und Rechten, wobei die Rechten mit Unterstützung der Sicherheitskräfte rechnen durften. Auch Agca. Nach dem Mord an Ipekci kam er zwar ins Gefängnis, konnte kurz darauf aber fliehen.

Die Motive für Agcas Attentat auf den Papst sind bis heute nicht geklärt. Der Täter selbst machte dazu im Laufe des Jahres widersprüchliche Aussagen und bezeichnete sich selbst als Jesus Christus. Als er vor zehn Jahren nach 19 Jahren Haft in Italien begnadigt und in die Türkei abgeschoben wurde, verschwand er wegen des Ipekci-Mordes sofort wieder hinter Gittern. Vor vier Jahren kam er durch eine falsche Berechnung seiner restlichen Haftzeit für einige Tage auf freien Fuß, wurde anschließend aber wieder festgenommen.

Nun läuft die Strafe für den Ipekci-Mord ab, und Agca schmiedet eifrig Zukunftspläne. Immer wieder tauchen Presseberichte über seine angeblichen Vorsätze für das Leben in Freiheit auf. So soll er sich um die polnische Staatsbürgerschaft bemühen, um sich mit seinem Opfer Johannes Paul zu solidarisieren. Bei anderen Gelegenheiten soll er angekündigt haben, er wolle nach Rom reisen, um am Grab des Papstes zu beten. Einigen Versionen zufolge will er sich in Italien zum Christentum bekehren, Papst Benedikt XVI. treffen, sich als Fremdenführer niederlassen und heiraten. Das meiste davon sei frei erfunden, sagt Agcas Anwalt. Trotzdem tauchen hin und wieder Fragen nach Agcas geistiger Zurechnungsfähigkeit auf.

Immerhin eines hat Agca so erreicht: Er ist im Gespräch geblieben. Der Papstattentäter soll zwei Millionen Dollar (1,4 Millionen Euro) für ein Interview gefordert haben, für einen Buchvertrag über zwei Werke schwebt ihm ein Honorar von fünf Millionen Dollar vor. Japanische und kanadische Medien seien auch stark an einem Film über ihn interessiert, schrieb Agca jetzt an die "Sunday Times" in London. Übrigens sei er körperlich und geistig fit, fügte er hinzu. Schließlich will er nicht, dass potenzielle Geldgeber durch die Berichte über seine abstrusen Gedanken verschreckt werden.

Verdenken könnte man es ihnen nicht. So schrieb Agca an die "Sunday Times", nach seiner Freilassung werde er das "Ende der Welt" verkünden. Am "perfekten Christentum", das vom Vatikan übrigens niemals wirklich verstanden worden sei, will er die Menschheit mit Hilfe eines selbst verfassten Neuen Testaments teilhaben lassen.

Nur zu einer Frage schweigt Agca. Warum und in wessen Auftrag er 1981 den Papst töten wollte, bleibt vorerst sein Geheimnis.

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