„Pädophilie ist eine Krankheit“

Wann gilt ein Mensch als pädophil? Welche Therapien gibt es? SZ-Redaktionsmitglied Björn Heib sprach darüber mit dem Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten Heinz Krämer, Geschäftsführer von „Pro Familia“ Saarland.

Herr Krämer, Was versteht die Wissenschaft eigentlich unter Pädophilie?

Krämer: Pädophilie ist eine anerkannte Krankheit, also etwas, unter dem Menschen sehr leiden. Betroffene fühlen sich sexuell zu Kindern hingezogen und verspüren immer wieder Impulse, ihre Neigungen auszuleben. Das machen sie meist in ihrer Fantasie. Oder aber, sie nehmen kinderpornografische Bilder zur Hilfe.

Sind pädophile Neigungen eine Veranlagung oder können sie auch durch Traumata in der Kindheit ausgelöst werden?

Krämer: Bislang haben Forscher keine Hinweise darauf gefunden, dass traumatische Erfahrungen jemanden auf diesen Weg führen. Genauso wenig ist das bei der Homosexualität der Fall. Menschen haben also eine gewisse angeborene sexuelle Präferenz. Pädophile fallen da in einen sexuellen Randbereich.

Und sie werden gesellschaftlich ausgegrenzt.

Krämer: Das ist das große Problem. Sie sind ja nicht glücklich darüber, dass sie sich zu Kindern hingezogen fühlen. Sie leiden darunter, aber haben niemanden in ihrem Umfeld, mit dem sie darüber reden können.

Neigen Pädophile verstärkt dazu, sich an Kindern zu vergreifen?

Krämer: Nein. Das trifft nur auf eine Randgruppe zu. Diejenigen, die das allerdings machen, fallen nicht einfach über die Kinder her, sondern nähern sich ihnen erst langsam an, damit sie ihr Vertrauen gewinnen.

Welche Möglichkeiten gibt es, Betroffene zu therapieren?

Krämer: Zunächst muss man sie als Menschen akzeptieren. Danach muss der Therapeut ausschließen, dass von ihnen eine weitere Gefahr ausgeht. Es gibt keine Heilung, im Sinne von Umtherapieren, sondern der Betroffene lernt, seine Neigungen unter Kontrolle zu behalten. Das geht etwa, indem er seine Alleinverantwortung anerkennt und sich empathisch in das Opfer hineinversetzt. Und er muss verstehen, dass er einen Missbrauch begeht, indem er sich Kinderpornos anschaut. Denn ohne ihn gäbe es dieses Material ja nicht.

Beginnen viele erneut eine Therapie, weil sie ihre Neigungen dauerhaft nicht unter Kontrolle haben?

Krämer: Manche kommen durchaus wieder. Meist, weil es einen Auslöser wie etwa den Verlust des Arbeitsplatzes gab. Oder weil sie sich einsam fühlen. Sie suchen dann quasi Trost, indem sie sich wieder kinderpornografische Bilder anschauen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort