Olympia trauert um toten Rodler aus Georgien

Vancouver. Auch Tag zwei der Olympischen Spiele in Vancouver beginnt mit Tränen, diesmal ist es Svein Romstad, der den Kampf gegen sie verliert. Romstad ist Generalsekretär des Rodelweltverbandes (FIL), ein Mann also, der etwas zu sagen hat in der Welt der rasenden Schlitten

 Zum Gedenken an Nodar Kumaritaschwili wurde die kanadische Flagge bei der Eröffnungsfeier auf Halbmast gehisst. Foto: dpa

Zum Gedenken an Nodar Kumaritaschwili wurde die kanadische Flagge bei der Eröffnungsfeier auf Halbmast gehisst. Foto: dpa

Vancouver. Auch Tag zwei der Olympischen Spiele in Vancouver beginnt mit Tränen, diesmal ist es Svein Romstad, der den Kampf gegen sie verliert. Romstad ist Generalsekretär des Rodelweltverbandes (FIL), ein Mann also, der etwas zu sagen hat in der Welt der rasenden Schlitten. Jetzt aber, da Romstad etwas sagen soll über den Fortgang der Rodelwettbewerbe bei diesen Olympischen Spielen, beginnt seine Stimme zu zittern und die Tränen sich Bahn zu brechen.

Romstad ringt um Fassung, er nimmt einen zweiten Anlauf. Er sagt: " Es ist grausam, dass die Sportler nun auf der Bahn ihre Wettkämpfe austragen, auf der ein Freund verstorben ist."

Im Prinzip ist damit auch schon alles gesagt: Ein Rodler, der 21-jährige Georgier Nodar Kumaritschawili, ist beim Abschlusstraining am Freitag auf der Olympiabahn in Whistler nach einem Sturz nach der 16. und letzten Kurve tödlich verunglückt (wir berichteten). Die Rodelwettbewerbe werden dennoch wie geplant stattfinden. Lediglich die Starthöhen sollen sich ändern: Die Männer starten nun aus der Startluke der Frauen, die Frauen und Doppelsitzer wohl aus jenen der Junioren. Außerdem soll das Eisprofil in Kurve 16 verändert werden, jener Todeskurve, in der es Kumaritschawili am Vortag vom Schlitten und gegen einen Pfeiler geschleudert hatte.

Gute drei Stunden nachdem dieses Unglück geschehen ist, gibt auch Jacques Rogge eine Pressekonferenz. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat dazu eine schwarze Krawatte angelegt, und die rund 50 Fernsehkameras im vollbesetzten Saal zoomen sich so nahe an Rogge heran, dass alle Welt sehen kann, wie sich auch der 67-Jährige Tränen aus den Augen wischt. Nodar Kumaritschawili ist der erste Sportler, der in einem Wettkampf bei Olympischen Spielen sein Leben gelassen hat, und dass das jene, die sich Olympische Familie nennen, in tiefe Trauer stürzt, versteht sich von selbst. "Es ist schwer, Worte dafür zu finden", wird Rogge sagen. "Die gesamte olympische Familie ist betroffen über diese Tragödie, die einen Schatten auf die Spiele wirft."

Zuvor hatte bereits John Furlong das Wort ergriffen. Furlong ist der Chef des kanadischen Organisationskomitees Vanoc. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Spiele in Vancouver stattfinden. Und es war sein großes Ziel, diese Spiele, seine Spiele, zu einem bunten, fröhlichen Fest werden zu lassen. Jetzt sitzt auch Furlong da mit schwarzer Krawatte, ebenfalls ankämpfend gegen die Tränen, ebenfalls mit brüchiger Stimme sprechend. "Mein Herz ist gebrochen. Es ist ein schwarzer Tag für Kanada und die Spiele", sagt der Vanoc-Chef, weil diese Spiele nun eben nicht mehr so bunt und fröhlich werden können, wie er sich das erträumt hat, sondern ab sofort, noch bevor sie offiziell eröffnet werden konnten, Trauer tragen. Außerdem verspricht Furlong: "Wir werden diesen tragischen Unfall genauestens untersuchen und Konsequenzen ziehen."

Die Frage nach den Ursachen des tödlichen Unfalls von Nodar Kumaritschawili könnte eine heikle werden, nicht nur für Vanoc, das kanadische Organisationskomitee, auch und besonders für das IOC. Gut möglich, dass Jacques Rogge, der IOC-Präsident, das da oben auf dem Podium bereits ahnt, jedenfalls versucht er dem Thema aus dem Weg zu gehen. "Es ist jetzt die Zeit der Trauer, nicht die Zeit, um nach Ursachen zu suchen", lässt er jedenfalls wissen. Fest steht: Der Tod von Nodar Kumaritschawili lag nicht im Bereich des Unmöglichen, sein Unfall war vielmehr einer mit Ansage, nur die allerletzte Konsequenz hatte wohl niemand in Erwägung gezogen. Denn dass die Eisröhre im Whistler Sliding Center ein Sicherheitsrisiko gerade für schwächere Fahrer darstellt, war seit langem schon bekannt, letztendlich war sie genau als solche konzipiert worden: als Hochgeschwindigkeitsbahn. Als Attraktion fürs Publikum. Um den Rodelsport weltweit bekannt und beliebt zu machen - und nicht nur in Deutschland und ein paar Ländern drumherum.

"Fifty-Fifty", hatte der kanadische Bobfahrer Steve Holcomb die Bahn von Whistler im Vorfeld der Spiele genannt, was heißen sollte: 50 Prozent kommen durch, 50 nicht. Zwar wurde das Bahnprofil im Sommer nochmals entschärft, was durchaus beweist, dass man sich der Gefahr bewusst war. Unter 20 Prozent aber konnte die Sturzgefahr dennoch nicht geschraubt werden. "Alle Fachleute, die von Anfang an mit der Bahn zu tun hatten, haben vor der Geschwindigkeit gewarnt", erinnert nun Raimund Bethge, der deutsche Chefcoach für Bob und Skeleton.

Bereits im Vorfeld hatte Josef Fendt, der deutsche Präsident des Rodel-Weltverbandes gewarnt: "Die Bahn ist zu schnell. Wir hatten sie für maximal 137 Stundenkilometer geplant. Aber sie ist fast 20 Stundenkilometer schneller. Das ist ein Planungsfehler." Letztes Jahr hatte der deutsche Rodler Felix Loch in Whistler mit 153,98 Kilometer pro Stunde einen Geschwindigkeitsweltrekord für Rodler aufgestellt; gar 155 Stundenkilometer in der Spitze hatte der Italiener Armin Zöggeler für die Olympischen Spiele prophezeit.

Geschwindigkeit im Rodelsport bedeutet Risiko und Gefahr. Nodar Kumaritschawili hat das am Freitag mit seinem Leben bezahlt. "Das ist ein schwarzer Tag für Kanada und die Spiele."

John Furlong,

Chef des kanadischen Organisationskomitees

Zur Person

Nodar Kumaritaschwili hatte sich zum ersten Mal für Olympische Winterspiele qualifiziert. Erst zwei Wochen vor seinem tödlichen Unfall am Freitag löste er das Vancouver-Ticket auf der Hochgeschwindigkeitsbahn von Whistler. Beim Weltcup-Finale auf der Olympia-Bahn im italienischen Cesana schaffte es der Georgier auf den 28. Platz. In der Weltcup-Gesamtwertung erreichte Kumaritaschwili den 44. Rang.

Der 21-Jährige sei ein "sehr guter Mensch" gewesen, erklärte Rusiko Aptsiauri, Mitglied der georgischen Olympia-Delegation.

 Blumen, Kerzen und ein Foto erinnern an den verunglückten Georgier. Foto: dpa

Blumen, Kerzen und ein Foto erinnern an den verunglückten Georgier. Foto: dpa

Kumaritaschwili sei stets "sehr ruhig und bescheiden" sowie "ausgesprochen höflich" gewesen. Der junge Athlet habe sich sehr auf seine ersten Winterspiele gefreut, betonte Aptsiauri weiter. dpa

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