Offene Rechnungen

Washington. Die staatliche Nachrichtenagentur Nordkoreas veröffentlichte ein Foto, das zeigt, wie Diktator Kim Jong-Un (30) mit seinen Generälen militärische Einsatzpläne studiert. Angeblich gegen Ziele auf dem amerikanischen Festland, Hawaii und Guam sowie in Südkorea

Washington. Die staatliche Nachrichtenagentur Nordkoreas veröffentlichte ein Foto, das zeigt, wie Diktator Kim Jong-Un (30) mit seinen Generälen militärische Einsatzpläne studiert. Angeblich gegen Ziele auf dem amerikanischen Festland, Hawaii und Guam sowie in Südkorea. "Es wird Zeit, offene Rechnungen mit den US-Imperialisten zu begleichen", zitiert die Agentur den Führer des Regimes. Die Überflüge der amerikanischen Tarnkappen-Bomber seien der Versuch der Supermacht, "um jeden Preis einen Nuklearkrieg vom Zaun zu brechen". Kim ordnete an, das Raketenarsenal des Landes gefechtsbereit zu machen.Die Amerikaner reagieren gelassen auf die hitzige Rhetorik nach dem Überflug der B-2-Bomber. Diese waren non-stopp von der Whiteman Airforce Base in Missouri nach Korea geflogen, um im Rahmen der jährlichen Militärmanöver mit dem Süden unscharfe Trainingsbomben abzuwerfen. Demonstrativ senkten die Piloten über der südkoreanischen Stadt Osan ihre Flughöhe, um auf ihre Präsenz aufmerksam zu machen. Die Tarnkappenbomber zum Stückpreis von drei Milliarden Dollar erlauben es den USA, vom Radar unentdeckt über Zielen am anderen Ende der Welt große Mengen an konventionellen Bomben abzuwerfen. Sie können auch mit Nuklearwaffen bestückt werden. US-Präsident Barack Obama hatte nach Abstimmung mit seinen Experten im Nationalen Sicherheitsrat grünes Licht für den 6500 Meilen langen Übungsflug gegeben.

Dem Vernehmen nach hatten einzelne Berater Bedenken geäußert, das Auftauchen der B-2-Bomber über der koreanischen Halbinsel könnte unnötig provokativ sein. Mit der Erinnerung an die Flächenbombardements der Amerikaner während des Korea-Kriegs im Hinterkopf reagiert Pjöngjang stets gereizt, wenn die USA strategische Kapazitäten der Air Force während der Militärmanöver einsetzen.

"Wir müssen die provokativen, kriegerischen Worte und Taten des neuen jungen Führers ernst nehmen", verteidigte Pentagon-Chef Chuck Hagel den Einsatz. Die USA blieben dem Frieden verpflichtet. "Nordkorea scheint sich in die andere Richtung zu bewegen." Der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, Martin Dempsey, bestätigte Truppenbewegungen im Norden, fügte aber beruhigend hinzu, diese seien "im Rahmen historischer Muster".

Tatsächlich bleibt vieles im Bereich des Spekulativen. Experten bezweifeln, das Kim über die Fähigkeit verfügt, Ziele in den USA mit Raketen anzugreifen. "Wenn es nicht einen wundersamen Wandel in dem strategischen Arsenal Nordkoreas gegeben hat, ist die Chance äußerst gering oder nicht vorhanden", meint etwa James Hardy vom militärischen Fachdienst Jane's Defense.

Rätsel geben die im vergangenen April bei einer Militärparade vorgeführten und noch nicht getesteten Raketen vom Typ KN-08 auf. Angeblich soll es sich dabei um Waffen mit interkontinentaler Reichweite handeln. Unerprobt sind auch die Musudan-Raketen, die bis zu 3000 Kilometer weit fliegen sollen. Kein Zweifel besteht dagegen daran, dass der Norden nicht über die Technologie verfügt, Atomwaffen kompakt zu bauen und auf eine Trägerrakete zu montieren.

Dass die Rhetorik diesmal besondere Schärfe angenommen hat, erklären Beobachter mit den neuen UN-Sanktionen.

Meinung

Richtige

Reaktion

Von SZ-KorrespondentThomas Spang

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Un gibt der Welt Rätsel auf. Was führt er mit seiner kriegerischen Rhetorik im Schilde? Geht es für den jungen Führer um Machtsicherung nach innen oder bereitet er einen Angriffskrieg gegen den Nachbarn im Süden vor? Vieles spricht für Gesichtswahrung nach innen. Der pausbackige Diktator will auf keinen Fall schwach aussehen. Mit großen Sprüchen gegen die "amerikanischen Imperialisten" markiert er zuhause den starken Mann und mobilisiert sein versklavtes Volk gegen den "großen Aggressor". Das hilft ihm gleichzeitig, seine Position gegenüber der verknöcherten Militärriege zu festigen. Die Amerikaner nehmen die Drohungen Kims ernst genug, die Antwort nicht dem Zufall zu überlassen.

Richtigerweise reagierte Präsident Barack Obama deshalb mit einer Demonstration der Stärke. Indem er von Missouri aus Tarnkappenbomber über der koreanischen Halbinsel aufkreuzen ließ, führte er dem stalinistischen Regime höchst sichtbar die militärischen Kapazitäten der USA vor.

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