Oberreuter: Unser politisches System verhindert charismatische Figuren

Herr Oberreuter, vor Monaten haben Sie Barack Obama als "Kunstprodukt" kritisiert. Er tauge nicht als Vorbild für deutsche Politiker. Bleiben Sie dabei?Heinrich Oberreuter: Ich habe damals von einem Medien-Kunstprodukt gesprochen. Das Tamtam, das er auslöst, beruht auf Inszenierung von Charisma. Ich habe nicht gesagt, dass er keine Kompetenz hätte

Herr Oberreuter, vor Monaten haben Sie Barack Obama als "Kunstprodukt" kritisiert. Er tauge nicht als Vorbild für deutsche Politiker. Bleiben Sie dabei?

Heinrich Oberreuter: Ich habe damals von einem Medien-Kunstprodukt gesprochen. Das Tamtam, das er auslöst, beruht auf Inszenierung von Charisma. Ich habe nicht gesagt, dass er keine Kompetenz hätte. Die Inszenierung ist wunderbar professionell amerikanisch. Sie eignet sich für das dortige Amt, das dortige Regierungssystem und die dortigen Emotionen - für die deutschen Verhältnisse dagegen überhaupt nicht.

Warum nicht? Viele wünschen sich einen "deutschen Obama"…

Oberreuter: Weil wir in einem völlig anderen politischen System leben, in dem Parteien eine große Rolle spielen, in dem Koalitionen geschmiedet werden müssen. Der US-Präsident hat eine herausgehobene Position und kann sie auch medial untermauern. Darin liegt eine große Kraft.

Was können wir uns dennoch abschauen von Obama?

Oberreuter: Im Rahmen der Bedingungen einer parlamentarischen Parteiendemokratie ist es der Appell, politische Führungskraft zu verstärken und aus dem ehernen Gehäuse der Partei- und Koalitionskartelle auszubrechen. Die Frage ist nur: Geht das gut? Ich bin mir nicht sicher, wenn Angela Merkel auf eigene Rechnung agieren würde, ob sie dann noch lange in ihrem Amt bliebe. Den Politikern von CDU und CSU würden es kaum gefallen, zu Wasserträgern degradiert zu werden.

Verhindern die Parteien charismatische Figuren in der Politik?

Oberreuter: Die Parteien setzen Grenzen, weil sie wirklich existieren, und nicht bloß Wahlkampfmaschinen sind wie in den USA. Ohne sich in der Partei als Ganzes durchzusetzen, werden Sie in Deutschland niemals Spitzenkandidat, das Volk wird nicht gefragt. Der Fokus des Kanzlerkandidaten bei uns sind Partei und Fraktion, in Amerika ist der Fokus die Öffentlichkeit.

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