Obamas Reförmchen

Ein wappengeschmücktes Rednerpult, sechs Sternenbanner: Es ist die patriotische Kulisse, die wichtige Reden amerikanischer Präsidenten im Allgemeinen begleitet. Und doch, allein durch die Wahl des Ortes will Barack Obama Signale setzen.

Signale, die irritierte Verbündete in Übersee genauso beruhigen sollen wie die Bürger daheim.

Einige Berater hatten ihm empfohlen, nach Fort Meade in Maryland zu fahren, um seine Rede im Hauptquartier der National Security Agency, der NSA, zu halten. Er entschied anders, und seine Spindoktoren legen Wert darauf, dass das Publikum erfährt von der Debatte hinter verschlossenen Türen. Obama wählt die große Halle des Justizministeriums. Die Symbolik liegt auf der Hand: Da ist einer, der Rechtsstaat und Verfassung verteidigt, nicht die Big-Brother-Mentalität des Spionage-Apparats.

Und die Substanz? Es dauert fast eine halbe Stunde, ehe er nach blumiger Vorrede zur Sache kommt, zum Datenstaubsauger der NSA. Bis dato dürfen die Späher die Verbindungsdaten (Metadaten) sämtlicher Inlandstelefonate sammeln und fünf Jahre lang aufbewahren. Es war das erste Geheimprogramm, das Edward Snowden enthüllte, und es ist dasjenige, das die Amerikaner mit Abstand am meisten empört.

Er habe Korrekturen angeordnet, sagt Obama, Änderungen in zwei Stufen. Ab sofort dürfe die Datenbank nur noch dann durchsucht werden, wenn ein Richter grünes Licht gebe oder eine echte Ausnahmesituation herrsche. Und bis zum 28. März sollten Justizressort und Geheimdienste eine Alternative zum Status quo vorschlagen. Ein Programm, das die Fähigkeiten des alten bewahre, ohne dass die Regierung wie bisher automatisch Zugang zu sämtlichen Metadaten habe.

Damit folgt Obama, wenn auch vage, der Empfehlung einer Kommission von fünf Rechts- und Geheimdienstexperten, die bereits im Dezember einen Mittelweg skizziert hatten. Im Prinzip, hatten sie vorgeschlagen, soll die Datensammlung erhalten bleiben, aber in privaten Händen, in der Regie der Telefonunternehmen oder eines noch zu gründenden Firmenkonsortiums. Bevor er konkrete Entscheidungen treffe, werde er den Kongress konsultieren, lässt Obama wissen. Der Satz erinnert Spötter an den Zickzackkurs des vergangenen Spätsommers, als der Staatschef im Chemiewaffenpoker mit dem Syrer Baschar al-Assad erst einen Militärschlag androhte, das letzte Wort dann aber ans Parlament delegierte. Nur: Die Vollmachten der Datensammler sind per Gesetz geregelt, durch den Patriot Act von 2001, und nur die Legislative - nicht die Administration - kann Gesetze ändern.

Deutlicher als es manche erwartet hatten, wird der Präsident, als er vom Spionieren im Ausland spricht. Es ist ein Indiz dafür, wie sehr die Aufregung um Angela Merkels abgehörtes Handy das Oval Office noch immer beschäftigt. Sofern es keinen zwingenden Grund gebe, würden die USA die Kommunikation von Staats- und Regierungschefs eng befreundeter und verbündeter Länder nicht überwachen, sagt Obama. "Wenn ich wissen will, was sie über eine Sache denken, greife ich zum Telefon und rufe sie an", fügt er hinzu - macht aber zugleich deutlich, dass man nicht aufhören werde, im Ausland zu spionieren, das befreundete Ausland eingeschlossen. "Lassen Sie mich das klar sagen, unsere Geheimdienste werden weiterhin Informationen über die Absichten von Regierungen in aller Welt sammeln. Und wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass unsere Dienste vielleicht effektiver sind als andere."

Und Edward Snowden? Es dauert 14 Minuten, bis der Präsident ihn erwähnt, den Whistleblower, ohne dessen Enthüllungen es keine Datendebatte in Washington gäbe. "Mister Snowden", sagt er, sehr distanziert, und deutet mit keiner Silbe an, dass es prominente Stimmen gibt, die eine schnelle Begnadigung verlangen, zuletzt etwa die Chefredaktion der New York Times. Nichts in der Rede lässt auf eine Amnestie schließen, auf eine Brücke, die Snowden die baldige Rückkehr aus Moskau ermöglichen würde.

Glenn Greenwald, der Journalist, der am engsten mit dem 30-Jährigen zusammenarbeitet, macht denn auch keinerlei Hehl aus seiner Enttäuschung. Die Öffentlichkeit, wettert Greenwald, habe genug darüber gehört, wie gründlich die NSA in die Privatsphäre eingreife, sie habe nicht noch eine schöne Präsidentenrede gebraucht, um das zu verstehen. "Die Frage ist: Demontieren wir endlich diese Maschine, die nach 9/11 im Verborgenen zusammengebaut wurde?"

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HintergrundDie Überwachung ausländischer Staats- und Regierungschefs soll nur noch erlaubt sein, wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit der USA zwingend erforderlich ist. Diese Regel soll aber nur für "enge Freunde und Verbündete" gelten. Telefondaten sollen gesammelt, aber nicht mehr vom Staat gespeichert werden. Ausländer sollen beim Schutz ihrer Privatsphäre künftig teilweise mit US-Bürgern gleichgestellt werden. Im Detail geht es darum, wie lange persönliche Daten gespeichert werden und wie diese Infos verwendet werden dürfen. Die Geheimdienst-Prioritäten sollen jährlich geprüft werden. dpa

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