Obamas Balance-Akt in Kairo

Washington/Kairo. Wenn US-Präsident Barack Obama heute an der Universität von Kairo spricht, bewegt er sich auf heiklem Terrain. Die Kunst für ihn wird darin bestehen, den weltweit 1,5 Milliarden Moslems die Hand zu reichen, ohne dem Verbündeten Israel vor den Kopf zu stoßen

Washington/Kairo. Wenn US-Präsident Barack Obama heute an der Universität von Kairo spricht, bewegt er sich auf heiklem Terrain. Die Kunst für ihn wird darin bestehen, den weltweit 1,5 Milliarden Moslems die Hand zu reichen, ohne dem Verbündeten Israel vor den Kopf zu stoßen. So gesehen richtet sich Obama nicht nur an die rund 3000 Zuhörer an der ältesten islamischen Hochschule der Welt, sondern an ein globales Publikum, das ganz unterschiedliche Hoffnungen hegt. Der gemeinsame Nenner liegt in den hohen Erwartungen, die überall geteilt werden. Der Präsident weiß um diese Gefahr und versuchte vor seiner Abreise, die Erwartungen zurückzuschrauben. "Ich denke, es ist sehr wichtig zu verstehen, dass eine Rede nicht alle Probleme im Nahen Osten lösen wird", erklärte Obama und fügte hinzu, Diplomatie sei immer eine lange und zähe Angelegenheit. "Es gibt niemals schnelle Ergebnisse." Die wichtigste Botschaft, die der neue Führer der Vereinigten Staaten auf seiner ersten Reise in den Nahen Osten im Gepäck hat, ist ein Appell an alle Seiten, in einen "neuen Dialog" einzutreten. Ein ehrlicher Austausch, der von den USA moderiert und aktiv begleitet wird. Das ist weniger, als der jordanische König Abdullah II andeutete, als er nach seinem Besuch in Washington meinte, Obama werde in Kairo die Grundzüge eines neuen Friedensplans für die Region präsentieren. Doch der US-Präsident ist Realpolitiker genug, die Signale zu interpretieren, die er bei seinen bilateralen Begegnungen mit dem neuen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Ne-tanjahu und Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas in Washington erhalten hat. Deshalb erliegt Obama nicht der Versuchung, mit einem eigenen umfassenden Plan für einen Ausgleich zwischen Israel und den Palästinensern vorzupreschen. Für ihn geht es in Kairo vor allem um Vertrauensbildung mit der islamischen Welt, die in den USA seit der Ära von Präsident George W. Bush keinen ehrlichen Makler mehr sieht. Irak, Guantanamo und Abu Ghraib stehen heute als Symbol für den hässlichen Amerikaner. Obama knüpft an sein Interview mit einem arabischen Satellitensender, die Rede vor dem türkischen Parlament und den Neujahrsgruß an die Iraner an, wenn er in Kairo versucht, dieses traumatische Verhältnis zu überwinden. Zur Enttäuschung einiger Zuhörer wird sich der Präsident nicht explizit für Fehler der USA in der Vergangenheit entschuldigen. Stattdessen will Obama den Blick nach vorn richten und seine Entschlossenheit bekräftigen, mit hartnäckiger Diplomatie Ergebnisse zu erreichen. Sehr zum Ärger der neuen israelischen Regierung beharrt Obama etwa darauf, dass Jerusalem die Siedlungsaktivitäten einstellen muss. Allein die Wahl Kairos als Ort für die Rede hat schon symbolischen Charakter, der dadurch verstärkt wird, dass Obama im Präsidentenamt bisher noch nicht in Israel war. Aus republikanischen Kreisen in den USA wird das ebenso kritisiert, wie die Aufwertung, die der autokratische Herrscher Ägyptens Hosni Mubarak dadurch erfährt. Doch auch hier macht der Präsident keine Kompromisse. Es mache keinen Sinn, anderen die eigenen Werte aufzudrängen. Vielmehr müssten die USA durch Beispielhaftigkeit überzeugen. Ein solches Beispiel will Obama mit seiner Rede in Kairo setzen: Der islamischen Welt Respekt zu zollen, aber auch die Probleme im gegenseitigen Verhältnis offen anzusprechen, um damit die Voraussetzungen für einen neuen Dialog zu schaffen. "Es gibt niemals schnelle Ergebnisse." US-Präsident Barack Obama vor seiner AbreiseMeinung

ReduzierteErwartungen

Von SZ-KorrespondentThomas Spang US-Präsident Barack Obama erliegt in der ägyptischen Hauptstadt Kairo nicht der Versuchung, die Welt mit einem großen neuen Friedensplan zu beeindrucken. Stattdessen konzen-triert er sich auf die notwendige Voraussetzung für das Gelingen einer jeden neuen Initiative, die darauf abzielt, einen Ausgleich zwischen Israel und Palästinensern zu finden.Obama versucht die USA wieder in die Position eines "ehrlichen Maklers" zu bringen. Denn nur ein von allen Seiten anerkannter Vermittler kann es schaffen, die tiefen Gräben zu überbrücken und einen neuen Dialog zwischen Israelis und Arabern in Gang zu bringen.Dafür muss der US-Präsident erst einmal das Vertrauen in Amerika und seine Politik wiederherstellen. In seiner Rede geht es deshalb vor allem darum, das Image von "Onkel Sam" im Nahen Osten zu reparieren, das unter Vorgänger George W. Bush arg gelitten hat. Keine einfache Aufgabe nach dem Irak-Krieg, nach Guantanamo und Abu Ghraib. Deshalb tut Obama gut daran, alle weitergehenden Erwartungen zu dämpfen. HintergrundUS-Präsident Barack Obama wird bei seinem Deutschlandbesuch am Freitag in Dresden voraussichtlich nur ein knappes Programm absolvieren, dabei aber auch einen Abstecher zur Frauenkirche unternehmen. Obama wird in der sächsischen Landeshauptstadt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im historischen Grünen Gewölbe zu einem Gespräch empfangen. Merkel will Obama dann auch beim Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar begleiten. Am Nachmittag wird der Präsident auf der US-Airbase in Ramstein und im US-Militärhospital in Landstuhl erwartet. dpa

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