Obama will wieder Popstar werden

Washington. Der Wahlkämpfer Barack Obama (Foto: dpa) ist zurück. In seinem ersten Bericht zur Lage der Nation gab sich der US-Präsident gestern volksnah und kampfeslustig. Doch auf dem Redner lastete sichtbar großer Druck: Obama musste seinen Wählern beweisen, dass er nach Monaten der volksfernen Politik wieder einer von ihnen ist

Washington. Der Wahlkämpfer Barack Obama (Foto: dpa) ist zurück. In seinem ersten Bericht zur Lage der Nation gab sich der US-Präsident gestern volksnah und kampfeslustig. Doch auf dem Redner lastete sichtbar großer Druck: Obama musste seinen Wählern beweisen, dass er nach Monaten der volksfernen Politik wieder einer von ihnen ist. Noch vor einem Jahr hatte er geredet, um die Amerikaner mit sich selbst zu versöhnen. Diesmal musste er ihnen selber die Hand reichen, um ihr Vertrauen zurückzugewinnen. "So bin ich mir der Besorgnis, die zurzeit draußen herrscht, bewusst", sagte Obama - und setzte neue Prioritäten. Ganz oben: die Arbeitsplätze.

Mit einer Prise Populismus wollte Obama beweisen, dass er die Sorgen seiner Wähler ernst nimmt, bevor sich immer mehr enttäuscht von ihm abkehren. Aber die Rückschläge des ersten Amtsjahres haben ihre Spuren hinterlassen.

Es war nicht nur der dunkelblaue Anzug, der den jungen US-Präsidenten älter wirken ließ. Obama wirkte abgekämpft, wie einer, dem das Regieren derzeit keinen Spaß mehr macht - und doch gab er sich kampfeslustig. "Wir sind angeschlagen, aber hoffnungsvoll" - als der Präsident derart aus einem Brief einer Wählerin zitierte, klang es fast, als müsse er sich selber Mut machen. Einst gefeiert wie ein Popstar, hielt er seine Rede um 21 Uhr Ortszeit, als im Fernsehen gerade die beliebte Show "American Idol" ("Amerika sucht den Superstar") vorbei war. Der wegen seiner vermeintlich abgehobenen Politik in den Charts nach hinten gerutschte Popstar Obama wählte für seine Jury, die Wähler, nun diesen Titel: "Jobs, Jobs, Jobs."

Um seine Offensive zur Schaffung von Arbeitsplätzen kreiste der Großteil von Obamas rund 70-minütiger Rede. "Ich schlage vor, dass wir 30 Milliarden Dollar von dem Geld, das die Banken der Wall Street zurückzahlen, dafür nutzen, dass kommunale Banken es kleineren Unternehmen als Kredit geben, um zu überleben", sagte Obama. Er schlug Steuervergünstigungen für über eine Million kleinerer Firmen vor, die neue Arbeitskräfte einstellen oder die Löhne erhöhen.

Außerdem machte Obama Druck auf den Kongress. Der berät gerade über ein Arbeitsbeschaffungsprogramm. "Ich möchte ein Job-Gesetz ohne Verzögerung auf meinem Schreibtisch haben", drängte Obama. Auch für eine "ernsthafte" Finanzreform warb er.

Wer Neues hören wollte, wurde enttäuscht. Geschickt nutzte der Präsident das Job-Thema jedoch, um es von allen Seiten zu beleuchten und zu erklären, wie eng der Weg aus der Wirtschaftskrise verbunden ist mit den Themen, von denen seine Wähler weniger gern hören: die Finanzreform, erneuerbare Energien und selbst die Gesundheitsreform.

Auch sie trage dazu bei, die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer zu verbessern. Obama machte keinen Hehl daraus, dass er trotz des starken Gegenwinds weiter kompromisslos für sein politisches Kernanliegen eintritt.

Er erntete Lacher, als er in einem Anflug von Heiterkeit erklärte, inzwischen sei es wohl offensichtlich, dass er die Gesundheitsreform nicht zu seiner Sache gemacht habe, weil sie so ein geschickter politischer Schachzug für ihn sei. "Kehrt der Reform nicht den Rücken", mahnte Obama Vertreter beider Parteien. "Lasst uns gemeinsam einen Weg finden und diesen Job für das amerikanische Volk beenden." Klein oder gar unerwähnt blieben dagegen mehrere große Themen seines ersten Amtsjahres - wie der Afghanistan-Einsatz, das Gefangenenlager Guantanamo oder die Klimaschutzziele.

Meinung

Zurück zu den Erfolgs-Wurzeln

Von SZ-Korrespondent

Thomas Spang

Da ist er wieder, der "alte" Barack Obama, der die Amerikaner 2008 mit seinem "Yes-We-Can"-Optimismus betörte. In seiner Rede erinnerte der Präsident seine Landsleute daran, warum sie ihn ins Weiße Haus schickten. Selber nutzt Obama die große Bühne, die Reihenfolge seiner Prioritäten vom Kopf auf die Füße zu stellen. Damit versucht er seine Agenda mit den Sorgen der Menschen auf der Straße zu synchronisieren. Obama signalisiert überzeugend, dass er die Botschaft der Amerikaner verstanden hat. An die Wurzeln seines Erfolgs zurückzukehren und sich an die Spitze der Kritiker zu setzen, ist seine beste Chance, dem Kongress auf die Sprünge zu helfen. Diese Kampfeslust haben seine Anhänger lange vermisst.

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