Obama riskiert Krieg mit der Waffen-Lobby

Washington. Tagelang hatte sich Barack Obama aus der hitzigen Diskussion herausgehalten. Sein Sprecher Jay Carney ließ die Presse wissen, es sei unwahrscheinlich, dass sich der US-Präsident für neue Gesetze stark machen werde. Schon gar nicht in einem Wahljahr, in dem wenige Stimmen in ländlichen Wahlkreisen am Ende den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben könnten

Washington. Tagelang hatte sich Barack Obama aus der hitzigen Diskussion herausgehalten. Sein Sprecher Jay Carney ließ die Presse wissen, es sei unwahrscheinlich, dass sich der US-Präsident für neue Gesetze stark machen werde. Schon gar nicht in einem Wahljahr, in dem wenige Stimmen in ländlichen Wahlkreisen am Ende den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben könnten. Umso überraschender kommt nun die Kehrtwende. Obama hat in einer Rede vor der "National Urban League" nicht nur klar Position bezogen, sondern auch versprochen, die Führung in der nationalen Waffengesetz-Debatte zu übernehmen.Der Präsident tritt dabei in die Fußstapfen Bill Clintons, der sich 1994 für ein Verbot von Schnellfeuerwaffen und die dazugehörigen Magazine eingesetzt hatte. Da sich zehn Jahre später im Kongress keine Mehrheit mehr für eine Verlängerung des Verbots fand, konnte der Schütze des Batman-Massakers von Aurora ganz legal in den Besitz eines automatischen Gewehrs und der Spezialmagazine kommen. James Holmes verwandte unter anderen ein Modell, mit dem sich 50 bis 60 Schuss pro Minute abfeuern lassen.

"Selbst Waffenbesitzer werden mir zustimmen können, dass AK-47 (Gewehre) in die Hände von Soldaten, aber nicht in die Hände von Kindern gehören", sagte der Präsident. Solches Kriegsgerät habe nichts auf Amerikas Straßen zu suchen, so Obama. Unklar blieb, ob der Vorstoß des Präsidenten in eine Gesetzesinitiative vor den Präsidentschaftswahlen münden wird. Eine Initiative wäre angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Kongress chancenlos, politisch aber höchst brisant.

Herausforderer Mitt Romney erklärte, er sehe keinen Bedarf für neue Waffengesetze. Obwohl er selber als Gouverneur von Massachusetts einen Bann von Schnellfeuerwaffen durchgesetzt hatte, will er davon nun nichts mehr wissen. "Wir hoffen manchmal, dass Gesetzesänderungen schlechte Dinge verhindern. Dem ist nicht so", meint der Kandidat nun. Zudem sei es für den Schützen von Aurora "ohnehin schon illegal gewesen", solche Waffen zu besitzen. Eine Aussage, die Romneys Sprecherin später korrigieren musste, weil Holmes alle vier Waffen, die 6350 Schuss Munition und die Hochleistungsmagazine legal erworben hatte.

Romney bewegt sich mit seiner Position näher an der öffentlichen Meinung. In den USA gibt es trotz der lautstarken Klagen der Befürworter neuer Waffengesetze nach dem Massaker von Aurora keine Mehrheiten für eine Änderung der bestehenden Regeln. Während 1994 bei der Verabschiedung des ersten Verbots von Schnellfeuerwaffen noch 80 Prozent der Amerikaner für schärfere Vorschriften waren, sind es auch wegen der einflussreichen Waffenlobby NRA heute nur noch 43 Prozent.

Wie groß das Risiko für Obama ist, lässt sich an den Verkaufszahlen für Handfeuerwaffen nach dem Massaker von Aurora ablesen. Die Polizeibehörden in Colorado teilten mit, dass in den drei Tagen nach dem Massaker die gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen von Waffenkäufern gegenüber der Vorwoche um 43 Prozent auf 2887 gestiegen seien. Ein Trend, den Behörden schon nach früheren Amokläufen USA-weit festgestellt hatten.

Bei den Ermittlungen zu dem Batman-Massaker sorgen derweil Informationen für Aufregung, wonach der Schütze James Holmes vor seiner Tat einen Laptop an die medizinische Fakultät geschickt haben soll, an der er Doktoranden-Kurse belegt hatte. Laut US-amerikanischen Medienberichten, die sich auf anonyme Polizei-Quellen berufen, soll der Rechner Pläne mit Skizzen für die Bluttat enthalten, bei der zwölf Menschen getötet und 58 weitere verletzt wurden. Unklar blieb, ob der Empfänger der Sendung früher in Kontakt mit dem Studenten gewesen war.

Meinung

Hohes Risiko

Von SZ-KorrespondentThomas Spang

US-Präsident Obama geht mit seinem Vorstoß für strengere Waffengesetze in den USA ein hohes Risiko ein. Wer so etwas fordert, gerät in das Visier der bestens organisierten Waffenlobby NRA. Deren Aktivisten haben schon oft dafür gesorgt, dass Befürworter strikterer Regeln aus den Volksvertretungen gedrängt wurden.

Umso mehr verdient Obama Beifall für seine mutige Forderung, Schnellfeuerwaffen zu verbieten. Herausforderer Romney war auch einmal dafür und setzte als Gouverneur von Massachusetts ein Verbot durch. Doch passend zu seinem Ruf will der Wendehals davon nichts mehr wissen.

Obama und andere Befürworter strikter Gesetze haben die besseren Argumente. Automatische Waffen braucht nur, wer schnell viele Menschen umbringen will. Leider werden solche Debatten in den USA nicht rational, sondern wie Glaubenskriege geführt. Mit Denkverboten und ohne Bereitschaft zum vernünftigen Kompromiss. Die Chancen, dass Obama daran etwas ändern wird, bleiben gering. Und der politische Preis, den er für seine Aufrichtigkeit zahlen muss, ist möglicherweise hoch.

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