Nur Respekt, keine FreundschaftPatriotismus statt Modernisierung

Moskau/Hannover. Zum Geburtstag ist er natürlich eingeladen. "Freund" Gerhard Schröder wird am Sonntag 69 Jahre alt. Da will "Freund" Wladimir Putin gratulieren

Moskau/Hannover. Zum Geburtstag ist er natürlich eingeladen. "Freund" Gerhard Schröder wird am Sonntag 69 Jahre alt. Da will "Freund" Wladimir Putin gratulieren. Schließlich war der Ex-Bundeskanzler, der dem damaligen und jetzigen russischen Präsidenten einst bescheinigte, er sei ein "lupenreiner Demokrat", einer der wenigen, die Russland trotz aller Defizite die Hand reichte - und sich dadurch nicht selten anbiederte. Der Spruch hat sich so fest in die Köpfe hineingebrannt, dass er noch drin bleiben wird, wenn es die beiden Freunde nicht mehr geben wird.

Doch Geburtstag hin oder her, es geht an diesem Wochenende um noch härtere Fakten. Russland ist Partnerland auf der Hannover Messe. Das war es vor acht Jahren schon einmal. Damals, als Putin noch mit Schröder durch die Hallen gehen durfte. Nun wird es kühler zugehen zwischen den Russen und den Deutschen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit Putin am Sonntag die Messer eröffnet, lässt sich nicht so schnell zu begeisterten Ausrufen hinreißen, in Russland gehe es lupenrein demokratisch zu. Ganz im Gegenteil. "Auf respektvolle Weise", wie es aus dem Kanzleramt heißt, will Merkel Putin auf Demokratiedefizite in Russland hinweisen. Bereits im November, als Merkel zu deutsch-russischen Regierungskonsultationen nach Moskau reiste, ließ sie es sich - zurecht - nicht nehmen, die harte Strafe für die in einer Kirche aufgetretenen Punk-Frauen von "Pussy Riot" öffentlich anzuprangern. Mit dem Zusatz, deswegen nicht gleich eingeschnappt zu sein und Kritik nicht als "destruktiv" zu verstehen. Kritik von außen empfindet Russland allerdings immer als Einmischung. Und Einmischung duldet es nicht. Putin ließ Merkel lapidar abblitzen. Nach neuerlichen Razzien der Behörden bei Nichtregierungsorganisationen (NGO), in die auch deutsche politische Stiftungen gerieten, ist Berlin "besorgt" und kommt nicht umhin, die harte Hand von Russlands Regime wieder anzusprechen. Hannover ist die Fortsetzung schwieriger deutsch-russischer Beziehungen.

Der Druck aus dem Westen dürfte aber auch diesmal begrenzt sein. Russland ruht sich auf seiner Position als Rohstoffmacht aus. Es sieht keine Notwendigkeit, sich vom Westen, den es spätestens seit der Eurokrise als zerstritten, schwach und dekadent betrachtet, etwas sagen zu lassen.

Das Vorbild - so ruft es Putin, seit er wieder zurück auf dem Präsidentenstuhl ist, immer wieder aus - sei ein "Groß-Russland" mit einem "patriotisch gesinnten Volk". Es gilt, fast um jeden Preis "Stabilität" herzustellen - eine weitere Lieblingsdevise des Präsidenten. "Der Gutsherr wird kommen, der Gutsherr wird schon richten" aus einem Nekrassow-Gedicht von 1855 offenbart auch heute noch das Regierungsverständnis. Eine historische Erfahrung, wo nicht ein oberster Herr seine Untertanen kontrolliert, fehlt dem Land. Eine starke Hand wünschen sich auch jetzt noch viele Russen. Davon profitiert Putin - und setzt auf Macht durch Kontrolle. Oppositionelle werden da schon einmal in die Strafkolonie verfrachtet oder unter Hausarrest gestellt, NGOs durchsucht und die Razzien als "Routine" abgetan, auch wenn ausländische Organisationen hineingeraten, und selbst Waisen werden als politisches Machtinstrument missbraucht.

Die staatlich kontrollierten Medien stellen das Geschehen in Russland jederzeit im Sinne des Kremls dar, Kritiker werden diskreditiert, mundtot gemacht. Nahezu jede bürgergesellschaftliche Regung erstickt im Keim und wirkt so als Abschreckung für alle anderen. Schon allein deshalb will Deutschland nicht ruhig zusehen.Moskau. Das Wort ist verschwunden. Keine "Modernisierung" mehr. Dabei zählte der Ausdruck noch vor wenigen Monaten zu den wichtigsten Grundpfeilern russischer Wirtschaftspolitik. Seit Wladimir Putin aber zurück auf dem Präsidentenstuhl ist - und Wirtschaft ist in Russland traditionell stark in politischer Hand -, wird vielmehr auf "Patriotismus" gesetzt. Technik ist das, was Moskau nun in Hannover sucht. Vor allem die wirtschaftliche Partnerschaft ist den Russen wichtig. "Das Potenzial für die Intensivierung unserer Wirtschaftsbeziehungen ist noch groß, die Hannover Messe soll dafür neuen Schwung geben", sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, laut einer Pressemitteilung. Mit 80 Milliarden Euro sei im vergangenen Jahr ein neuer Handelsrekord zwischen den beiden Ländern aufgestellt worden, so Cordes. Russlands Wirtschaft stagniert allerdings derzeit. Die Jahreswachstumszahlen von drei bis vier Prozent seien eher schwach, schreiben die Analysten Gunter Deuber und Andreas Schwabe. Das russische Investitionsklima sei ebenfalls nach wie vor dürftig.

Nicht nur bei "Demokratie" sprechen Moskau und Europa eine andere Sprache, auch den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO im vergangenen Jahr sehen Ost und West unterschiedlich. Während die EU die Mitgliedschaft zur Basis nimmt, um bilaterale Wirtschaftsbeziehungen zu stärken und durch die Wirtschaft an die Veränderungen in der Politik zu gelangen, bestehen auf russischer Seite mehr Vorbehalte. Die Mitgliedchaft soll das internationale Investitionsprofil des Landes stärken. Politisch aber tritt Russland von Modernisierung zurück. inh

Meinung

Der russische Sonderweg

Von SZ-Mitarbeiterin

Inna Hartwich

Russland will den Westen als Partner, der seinem riesigen Gebiet Kapital und Know-how einbringt, seine Wirtschaft für russische Unternehmen öffnet. Der dies aber bitte nicht als Raum gemeinsamer Werte versteht! So etwas empfindet Russland als Zumutung, erhebt das Land doch die Nicht-Einmischung zur obersten Maxime. Russland ist vom Westen desillusioniert, vom Wort "Demokratie" abgeschreckt. Denn die "Wilden 90er" nach dem Ende der Sowjetunion brachten statt der erhofften Volksherrschaft eher Anarchie und Armut mit sich. Davon hat sich das Land noch nicht erholt.

Zumal Präsident Putin daraus bis heute seinen Ruf als Retter Russlands schöpft. Er setzt auf einen Sonderweg Russlands, beruft sich auf Dichter, die schon im 19. Jahrhundert davon sprachen, Russland sei nicht mit dem Verstand, sondern allein mit dem Herzen zu verstehen. Dieser Sonderweg aber ist ein Mythos, der in erster Linie machtpolitisch verlockend ist. Er soll die Allmacht der Herrschenden zementieren. Im 21. Jahrhundert hat er aber nichts zu suchen.

Auf einen Blick

Die Hannover Messe, die weltgrößte Industrieschau, zeigt vom 8. bis zum 12. April Neuheiten aus den Schlüsselbranchen Maschinenbau und Elektrotechnik. Partnerland ist in diesem Jahr Russland. Insgesamt nehmen 6504 Aussteller aus 62 Ländern teil. Das Saarland ist mit 21 Ausstellern vor Ort. Erstmals liegt der Anteil ausländischer Aussteller über 50 Prozent. China ist am stärksten vertreten. Schwerpunkt ist die stärkere Verknüpfung von Werkzeug und Maschine durch intelligente Techniken. dpa

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