Nur noch CSU-Generäle ohne Doktortitel?

München · Der neue CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ist ein Doktor. Zumindest hat er sich so bis gestern genannt. Doch sein in Prag erworbener „kleiner Doktor“ ist außerhalb Bayerns ein Titel ohne Wert – auch weil er in seiner Arbeit abgeschrieben haben soll.

Man hätte es schon vor neun Jahren wissen können: Der von der Karls-Universität Prag an den Passauer CSU-Politiker An dreas "Andi" Scheuer (39) verliehene "kleine Doktorgrad" ("doktor filozofie") ist mit dem deutschen Doktortitel nicht vergleichbar, war schon damals in der Presse zu lesen. Doch erst jetzt, da Scheuer zum CSU-Generalsekretär aufgestiegen ist, kam der Doktor light durch eine Veröffentlichung der FAZ so richtig in die Schlagzeilen. Scheuer trat umgehend den Rückzug an und sicherte zu, den Doktor nicht mehr zu verwenden. Dazu berechtigt wäre er sogar an seinen Wirkungsstätten Bayern und Berlin. Ausgerechnet in diesen Ländern berechtigt der tschechische "doktor filozofie" zur Verwendung des Doktortitels. Beim Überschreiten der Landesgrenze müsste "Dr. Scheuer" andere Visitenkarten mit dem Titel "Ph Dr. Scheuer" hervorkramen.

Der Titel von Scheuers "kleiner Doktorarbeit" sorgt bei echten Doktoren für Stirnrunzeln. "Die politische Kommunikation der CSU im System Bayerns" klingt nach Parteibuch-Dissertation. Tatsächlich hat Scheuer in seinem Berufsleben nur Politik gemacht: Als 20-Jähriger trat er in die CSU ein und kam 2002 mit 28 Jahren in den Bundestag. 2009 wurde der gelernte Realschullehrer und Magister der Politikwissenschaften im Kabinett Merkel Staatssekretär im Verkehrsministerium. Weil er sich an die damals geltende Parteilinie hielt, wonach die Donau zwischen Straubing und Vilshofen durch mindestens eine Staustufe auszubauen sei, fing er sich vor einem Jahr einen hämischen Rüffel von Parteichef Horst Seehofer ein, der längst einen anderen Kurs eingeschlagen hatte. Scheuer sei ein Lausbub, der erst einmal ein Praktikum in Politik nötig habe, ätzte Seehofer über den Staatssekretär. Was den CSU-Chef nicht daran hinderte, Scheuer mit der alles erklärenden Bemerkung "Wir sind doch Mannsbilder" zum Nachfolger von Generalsekretär Alexander Dobrindt vorzuschlagen.

Das Amt ist nicht zu unterschätzen. Alle bisherigen Generalsekretäre sind später in höchsten Partei- und Regierungsämtern gelandet. Das gilt auch für den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. An Guttenberg sah sich am Freitag der Freie Wähler-Landtagsabgeordnete Florian Streibl, Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl, erinnert. Er empfahl Seehofer, "künftig Generalsekretäre auszuwählen, die nicht promoviert haben", um sich Peinlichkeiten zu ersparen. Margarete Bause, Chefin der Grünen im bayerischen Landtag, erwartet von der CSU auch im Fall Scheuer die Umsetzung ihrer Kampfparole "Wer betrügt, der fliegt". Auch der Koalitionspartner SPD blieb nicht stumm. Der bayerische SPD-Landesvorsitzende und frisch gebackene Staatssekretär im Bundesumweltministerium Florian Pronold, forderte eine weitere "seriöse Aufklärung".

Mit dem Verzicht auf den Titel sei es nicht getan, weil auch der Vorwurf des Plagiats im Raume stehe. Demnach soll er längere Textpassagen einer Veröffentlichung der Uni Münster ohne Kenntlichmachung kopiert haben. "Eine detaillierte Überprüfung" der Arbeitsunterlagen für die Promotion habe ergeben, dass sich dort kein Textdokument der Hochschule Münster finde, ließ der CSU-Sekretär wissen. Trotzdem werde er noch am Freitag die Uni über Autorenschaft und Entstehungsdatum des betreffenden Textes um Auskunft bitten.

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