Nur Brandenburg will Gas unter der Erde

Berlin. Das hätte Angela Merkel schon letztes Jahr haben können: 2009 scheiterte der von ihr protegierte Entwurf für ein Gesetz, das die Abscheidung und Speicherung von CO2 aus Kohlekraftwerken regeln sollte. Die SPD bestand darauf, dass die Bestimmungen nur für Tests gelten dürften

 Aus Protest gegen die Pläne, CO2 aus Kraftwerken unter der Erde zu lagern, hat ein Künstler in Brandenburg eine Puppe mit einer Gasmaske an sein Haus gehängt. Die Angst vor dem in hoher Konzentration giftigen Gas ist in der Bevölkerung groß. Foto: dpa

Aus Protest gegen die Pläne, CO2 aus Kraftwerken unter der Erde zu lagern, hat ein Künstler in Brandenburg eine Puppe mit einer Gasmaske an sein Haus gehängt. Die Angst vor dem in hoher Konzentration giftigen Gas ist in der Bevölkerung groß. Foto: dpa

Berlin. Das hätte Angela Merkel schon letztes Jahr haben können: 2009 scheiterte der von ihr protegierte Entwurf für ein Gesetz, das die Abscheidung und Speicherung von CO2 aus Kohlekraftwerken regeln sollte. Die SPD bestand darauf, dass die Bestimmungen nur für Tests gelten dürften. Und das schwarz-gelb regierte Schleswig-Holstein verlangte, die letzte Entscheidung bei den Ländern zu lassen - um bei sich solche Projekte verhindern zu können. Gestern nun legten Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU, Fotos: dpa) einen gemeinsamen neuen Entwurf vor, der beide Bedenken berücksichtigt.

Die Abscheidung von Kohlendioxid in den Kraftwerken und anschließende Lagerung unter der Erde, nach der englischen Übersetzung CCS (Carbon Capture and Storage) genannt, kann nun eingeführt werden, besagt der Entwurf. Aber nur in maximal drei Testprojekten, die einzeln nicht mehr als drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr und gemeinsam nicht mehr als acht Millionen Tonnen umfassen dürfen. Und nur, wenn die Länder, in denen das Ganze stattfinden soll, auch zustimmen. 2017 soll dann eine Auswertung stattfinden. Röttgen betonte bei der Vorstellung der Eckpunkte in Berlin gleich mehrfach, dass es sich um eine "Erprobung mit offenem Ausgang" handele, "nicht um die Einführung".

Freilich, das in hohen Konzentrationen giftige Gas ist dann trotzdem in der Erde, weshalb es überall dort, wo Projekte auch nur angedacht werden, sofort Widerstände gibt. Die schleswig-holsteinische Landesregierung blockierte deshalb das Gesetz vor der Landtagswahl Ende 2009 - und bleibt auch jetzt bei ihrer Haltung. Es gebe in der Bevölkerung "keine Akzeptanz", heißt es im CDU-regierten Kiel. RWE hat sein geplantes CCS-Kraftwerk in Hürth schon auf Eis legen müssen, denn es wollte sein CO2 per Pipeline nach Ostholstein verfrachten. Auch aus dem schwarz-gelb regierten Niedersachsen, das ebenfalls geeignete Gesteinsschichten hat, kam bisher kein Angebot, als Lagerstätte einzuspringen.

Der Appell von Wirtschaftsminister Brüderle, man dürfe mit dieser Technologie schon wegen der Exportchancen nicht so umgehen wie mit dem Transrapid, hat derzeit nur in einem Bundesland überhaupt eine Chance darauf, Gehör zu finden: ausgerechnet im rot-rot regierten Brandenburg. Dort plant Vattenfall ein großes Demonstrationskraftwerk und will dafür im ostbrandenburgischen Beeskow sowie in Neutrebbin CO2-Lagerstätten erkunden. Doch die betroffenen Bürger wehren sich heftig. Sie haben entweder schlichtweg Angst vor dem Gas oder sorgen sich um den Wert ihrer Immobilien.

Die brandenburgische Links-Koalition hat sich bisher jedoch klar für die Speicherung ausgesprochen. Sie bekommt mit dem CCS-Gesetz, das zunächst in die Ressortabstimmung geht, ein Regelwerk für die Genehmigung und die Bedingungen des Probebetriebs an die Hand. Und als Lockmittel sollen die Gemeinden, unter denen die Speicher entstehen, den Emissionshandelswert von zwei Prozent des eingesparten CO2 bekommen. Aktuell wären das für die zwei Millionen Tonnen von Vattenfall etwa 600 000 Euro im Jahr - nicht eben wenig für strukturschwache Kleinstädte. Anträge für Testprojekte können die Stromkonzerne laut Gesetzentwurf noch bis 2015 stellen. Es winken EU-Fördermillionen, eine nur 30-jährige Haftungsfrist für Schäden - und jede Menge Ärger gleich jetzt.

Meinung

Der Ritt auf einem toten Gaul

Von SZ-Redakteur

Lothar Warscheid

Der Gesetzentwurf, der es erlauben soll, die Lagerung des Klimagases CO2 unter der Erde zu testen, gleicht dem Ritt auf einem toten Gaul. Kaum ist er beschlossen, regt sich massiver Widerstand. Die Bundesländer fordern ein Mitsprache-Recht, was darauf hinausläuft, dass keines der Länder bereit sein wird, das CO2 in seinen Tiefen zu lagern. Man fürchtet zeitraubende Genehmigungsverfahren und zähen Widerstand von Bürgerinitiativen. Doch es wird vor allem die Bundesländer treffen, die über alte Gas- oder Öllager beziehungsweise stillgelegte Bergwerke verfügen. Dort lässt sich das Gas nach bisherigen Erkenntnissen am besten deponieren. Auch die für den Test genehmigte CO2-Menge ist ein Witz. Acht Millionen Tonnen sollen es in drei Jahren sein. Allein die fünf größten deutschen Braunkohle-Kraftwerke blasen pro Jahr mehr als 107 Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Die Abtrennung und Lagerung von CO2 verschlingt außerdem Energie, der Wirkungsgrad der Kraftwerke sinkt. Besser wäre es, die Hindernisse für den Bau neuer Kohlekraftwerke zu beseitigen. Sie sind hocheffizient und Voraussetzung dafür, dass die alten Dreckschleudern abgeschaltet werden können. Das wäre ein echter Beitrag zum Umweltschutz.

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