Niemand will im Kampf gegen die Erderwärmung vorangehen

Tianjin. Am Ende warfen sich die USA und China nur noch gegenseitig Untätigkeit vor. Der offene Streit zwischen den beiden größten Klimasündern legt die gegensätzlichen Positionen zwischen den reichen Industrienationen und den Entwicklungsländern offen. "Wer sollte mehr für den Kampf gegen die Erderwärmung tun?" Das ist die Streitfrage

Tianjin. Am Ende warfen sich die USA und China nur noch gegenseitig Untätigkeit vor. Der offene Streit zwischen den beiden größten Klimasündern legt die gegensätzlichen Positionen zwischen den reichen Industrienationen und den Entwicklungsländern offen. "Wer sollte mehr für den Kampf gegen die Erderwärmung tun?" Das ist die Streitfrage. Jeder fordert vom jeweils anderen, voranzugehen, und weigert sich solange, selbst etwas zu tun. "Es war zeitweise wie im Kindergarten", sagte Wendel Trio, Klimadirektor von Greenpeace. Auch ein Jahr nach dem Scheitern des Weltklimagipfels in Kopenhagen kommen die UN-Klimaverhandlungen nicht über gegenseitige Schuldzuweisungen hinweg. Ein "ausgewogenes Paket" war das Ziel der letzten Vorbereitungsrunde für den nächsten Klimagipfel Ende November in Mexiko. Doch am Ende der sechstägigen Verhandlungen war im Konferenzzentrum der chinesischen Stadt Tianjin nur noch das Wort "Enttäuschung" zu hören. Zwar habe niemand an ein "Wunder von Tianjin" geglaubt, aber jetzt sei sogar ein Rückfall zu befürchten, warnte Martin Khor von South Centre, einer Organisation der Entwicklungsländer. In dem Tauziehen um die neue Phase für eine Verringerung der Treibhausgase nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012 gab es keine Fortschritte. Die Entwicklungsländer fordern einen Abbau der Emissionen durch die Industriestaaten um 40 bis 50 Prozent bis 2020 gegenüber 1990. Solch drastische Schritte seien wegen der schneller voranschreitenden Erderwärmung nötig, wird argumentiert.Kritik an US-KonzernenDie bisherigen freiwilligen Zusagen von Kopenhagen verringern die Emissionen aber nur um 13 bis 18 Prozent. Mehrere "Schlupflöcher" in der Berechnung könnten den Rückgang auf nur noch vier Prozent verkleinern oder sogar zu einem Anstieg führen, warnen Klimaschützer. Kritiker befürchten inzwischen sogar das "Ende des Klimaschutz-Mechanismus'" insgesamt, wenn das Kyoto-Protokoll ausläuft. Den Verhandlungen fehlt der politische Wille. Das Misstrauen unter den Teilnehmern konnte auch in Tianjin nicht überwunden werden. "Wir verlieren Zuversicht und Vertrauen", sagte Chinas Klimapolitiker Huang Huikang stellvertretend für die Entwicklungsländer. In Mexiko wird längst kein Weltklimavertrag mehr angestrebt. So ein Abkommen wird nur vage für die unbestimmte Zukunft avisiert. Klimaschützer sehen in dem Streit der USA mit China auch ein "Scheingefecht", mit dem Washington von hausgemachten Problemen ablenken will. Dass der US-Kongress das Klimapaket von Präsident Barack Obama gestoppt hat, führen sie auf die Lobbyarbeit und den Einfluss großer amerikanischer Konzerne im Kongress zurück. "Hier liegt das eigentliche Hindernis", sagte Cindy Baxter von Greenpeace. US-Unterhändler Jonathan Pershing musste sich in Tianjin immer wieder die Frage anhören, ob die USA überhaupt noch einer globalen Klimapolitik verpflichtet seien. Oder wie sie ihre zugesagte 17-prozentige Verringerung der Treibhausgase zwischen 2005 und 2020 erreichen wollen. Aber selbst wenn das gelänge, würde die größte Volkswirtschaft damit nur drei bis vier Prozent unter den Stand von 1990 zurückgehen, was für den Klimaschutz viel zu wenig wäre. Die EU hat sich zu einer 20-prozentigen Verringerung verpflichtet und denkt sogar weiter an 30 Prozent. Meinung

Klimakiller Krise

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf Die Wirtschaftskrise erweist sich als Klimakiller Nummer 1. Die USA kämpfen mühsam mit den Folgen der massivsten Rezession seit Jahrzehnten. China wie auch andere aufstrebende Schwellenländer wollen trotz Krise weiter zu den Industriestaaten aufholen. Alle fürchten, dass schärfere Umweltgesetze Gift fürs Wirtschaftswachstum sind. Fortschritte kann es in den Klimagesprächen nur geben, wenn der politische Wille zurückkehrt oder überhaupt erst einkehrt. Doch wann wird das geschehen? Wenn die Wirtschaft weltweit wieder richtig boomt? Oder erst, wenn die katastrophalen Folgen des Klimawandels überall deutlich zu spüren sind?

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Der SZ-Ältestenrat versteht sich seit dem 22. Oktober 1998 als Sprachrohr für Senioren. Er berät die Redaktion der Saarbrücker Zeitung. Dazu lädt er immer wieder Experten ein. Zum Gedankenaustausch hat er nun den Vorstand des am 18. Mai 2009 gegründeten S
Der SZ-Ältestenrat versteht sich seit dem 22. Oktober 1998 als Sprachrohr für Senioren. Er berät die Redaktion der Saarbrücker Zeitung. Dazu lädt er immer wieder Experten ein. Zum Gedankenaustausch hat er nun den Vorstand des am 18. Mai 2009 gegründeten S