Nicht ohne mein Diensthandy

Saarbrücken. Die Schicht ist vorbei, das Büro abgeschlossen - aber das Diensthandy bleibt an. Auch das geschäftliche E-Mail-Postfach wird vor der Bettruhe noch schnell geprüft. Immer mehr Arbeitnehmern fällt es angesichts der Verbreitung digitaler Kommunikationsmittel schwer, im Feierabend komplett abzuschalten

Saarbrücken. Die Schicht ist vorbei, das Büro abgeschlossen - aber das Diensthandy bleibt an. Auch das geschäftliche E-Mail-Postfach wird vor der Bettruhe noch schnell geprüft. Immer mehr Arbeitnehmern fällt es angesichts der Verbreitung digitaler Kommunikationsmittel schwer, im Feierabend komplett abzuschalten. Eine Umfrage des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) ergab, dass 73 Prozent der berufstätigen Internetnutzer auch außerhalb der Arbeitszeit für Kollegen, Kunden und Vorgesetzte über Handy und E-Mail erreichbar sind. "Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind fließend geworden", sagt Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Psychologen halten diesen Trend für gefährlich. "Immer erreichbar sein zu wollen, ist eines der Themen, die zu Burnout prädestinieren", sagt der leitende Psychologe der auf Psychosomatik und Verhaltensmedizin spezialisierten Klinik Berus, Rolf Keller. Die Beschäftigten mit "chronischen Abgrenzungsschwierigkeiten" zwischen Beruf und Freizeit seien meist Menschen mit hohem Verantwortungsbewusstsein und einer Schwierigkeit, Nein sagen zu können. Diese Menschen seien anfällig für Depressionen oder chronische Schlafstörungen, warnte Keller. Sein Rat: Klare Dienstzeiten, Anrufbeantworter einrichten und um E-Mails erst am nächsten Arbeitstag kümmern.Ob ein Mitarbeiter überhaupt abends oder am Wochenende erreichbar sein muss, hängt davon ab, was im Tarifvertrag, im Arbeitsvertrag oder in den Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung steht. Eine bloße Anweisung des Arbeitgebers reiche jedenfalls nicht aus, erklärt der Direktor des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität des Saarlandes, Professor Stephan Weth.Die Frage der Erreichbarkeit über die reguläre Arbeitszeit hinaus gehört seit Jahren zu den Streitthemen zwischen den Tarifparteien. Die Gewerkschaft Verdi erklärte, vor allem Unternehmen ohne Betriebsrat und ohne starken gewerkschaftlichen Organisationsgrad verlangten von ihren Mitarbeitern, dass sie auch nach Dienstschluss erreichbar sind. Außerdem gebe es Mitarbeiter, die meinten, eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit sei ihrer Karriere förderlich. Nach Angaben der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) wird das Thema Erreichbarkeit unter den Personalverantwortlichen intensiv diskutiert. "Wenn der Arbeitnehmer einverstanden ist, ist das legitim", sagt VSU-Hauptgeschäftsführer Joachim Malter. Von der Möglichkeit, Kollegen aus dem Feierabend zu klingeln, werde ohnehin nur selten Gebrauch gemacht.Falls die in der Bitkom-Studie beschriebene Entwicklung wirklich ein Zeichen für das Zusammenwachsen von Arbeit und Freizeit ist, wird sie vermutlich auch für den Beruf nicht folgenlos bleiben: "Wer Berufliches mit nach Hause nimmt, nimmt auch Privates mit zur Arbeit", sagt Scheer.

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