Nicht mit dem Kopf gegen die Wand

Karlsruhe. Die Messerattacke auf Passaus Polizeidirektor Alois Mannichl durch einen mutmaßlichen Neonazi hat die Debatte um ein Verbot der rechtsextremen NPD neu entfacht. Seit dem gescheiterten Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2003 streiten Landes- und Bundespolitiker immer wieder über die Erfolgsaussichten eines Neuanlaufs

 Die NPD wurde in der jüngsten Vergangenheit immer mehr zum Sammelbecken von Neonazis. Foto: argus/Schroeder

Die NPD wurde in der jüngsten Vergangenheit immer mehr zum Sammelbecken von Neonazis. Foto: argus/Schroeder

Karlsruhe. Die Messerattacke auf Passaus Polizeidirektor Alois Mannichl durch einen mutmaßlichen Neonazi hat die Debatte um ein Verbot der rechtsextremen NPD neu entfacht. Seit dem gescheiterten Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2003 streiten Landes- und Bundespolitiker immer wieder über die Erfolgsaussichten eines Neuanlaufs. Doch am Grundproblem hat sich nichts geändert: Alle Führungsebenen der NPD sind durchsetzt mit Spitzeln des Verfassungsschutzes. Sie müssten nach den Karlsruher Vorgaben abgezogen werden, um ein faires Verfahren zu ermöglichen.

Am Montag hatte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer seinen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) angewiesen, als Konsequenz aus dem Passauer Attentat eine Reihe von Maßnahmen gegen die rechtsextreme NPD zu prüfen, darunter auch ein neues Verbotsverfahren. Doch schon am Tag danach gab Herrmann im Landtag bekannt, dass der Freistaat vorerst keinen neuen Verbotsantrag stellen werde. Seine Begründung: Er könne es nicht verantworten, die V-Leute aus der NPD abzuziehen, um den Vorgaben gerecht zu werden. "Deshalb nützt es nichts, jetzt mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen in Karlsruhe."

Die Verfassungshüter hatten den Abzug aller V-Leute als Voraussetzung genannt, weil ansonsten unklar bleibe, ob Belastungsmaterial womöglich von NPD-Funktionären stammt, die vom Verfassungsschutz ferngesteuert wurden. Dies war nämlich seinerzeit der Fall: Mindestens 30 V-Leute saßen zwischen 1997 und 2002 in Vorstandsgremien der NPD. Und unter den 18 NPD-Mitgliedern, deren Äußerungen in den Klageschriften als besonders belastend aufgeführt wurden, waren immerhin zwölf Spitzel. Doch selbst wenn die Geheimdienste ihre Spitzel lange vor einem neuen Verfahren abschalten würden, bliebe eine weitere hohe Hürde, die das Gericht bereits 1956 beim Verbot der KPD aufstellte: Einer Partei muss insgesamt eine gegen die Verfassung gerichtete "aktiv kämpferische, aggressive Haltung" nachgewiesen werden. Einzelne Taten oder Reden von Mitgliedern reichen nicht. Zwar wurde die NPD in der jüngsten Vergangenheit immer mehr zum Sammelbecken von Neonazis, auch weil ihr Vizechef Jürgen Rieger als wichtiger Mittler zwischen den verschiedenen rechtsextremen und rechtsradikalen Strömungen gilt. Doch dem Berliner Politologen und NPD-Experten Richard Stöss zufolge bindet die Partei diese gewaltbereiten Gruppen auch ein. Die NPD verhindere, dass diese Gruppen gewalttätig werden, weil das der Partei "in der öffentlichen Darstellung schaden könnte", sagte Stöss den "Stuttgarter Nachrichten". Stöss warnt deshalb vor der Hoffnung, dass rechte Gewalt durch ein NPD-Verbot weniger werde. Heimatlos gewordene Neonazis würden dann von den so genannten freien Nationalisten aufgefangen.

Ein NPD-Verbot würde auch nach Ansicht des früheren bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) ins Leere laufen: "Natürlich weiß jeder, dass Rechtsextremisten dann versuchen, in alternative Angebote abzuwandern und sich an anderer Stelle wieder zu gründen", sagte er dem TV-Sender N24. Dennoch schließt der bayerische Innenminister nicht aus, dass sein Land den Verbotsantrag zu einem späteren Zeitpunkt doch noch stellen könnte. Am Donnerstag wollen sich auch die Ministerpräsidenten bei einem Treffen in Berlin mit einem möglichen neuen Anlauf zu einem NPD-Verbot befassen.

Hintergrund

Im Fall der offensichtlich von Rechtsradikalen verübten Messerattacke auf Passaus Polizeidirektor Alois Mannichl sind am Dienstag erneut zwei Verdächtige festgenommen worden. Das bestätigte die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) gestern Abend. Die Staatsanwaltschaft Passau teilte mit, aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung seien am Nachmittag zwei Personen aus München vorläufig festgenommen worden. Sie würden näher überprüft. "Ob sich der Tatverdacht erhärtet, kann noch nicht abschließend beurteilt werden." Nach Angaben der "Passauer Neuen Presse" handelt es sich um einen Mann und eine Frau. dpa

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