„Nicht kinderfreundlich genug“

Über den Anstieg der Geburtenrate hat SZ-Redakteur Thomas Schäfer mit Anne Wiesen vom Saarländischen Hebammenverband gesprochen. Sie hilft seit 30 Jahren dabei, Kinder auf die Welt zu bringen, inzwischen im Saarbrücker Rastpfuhl-Krankenhaus.

Frau Wiesen, in Deutschland werden wieder mehr Kinder geboren. Deckt sich das mit Ihren Alltagserfahrungen?

Anne Wiesen: Im Saarland ist der Anstieg ja nicht so hoch. Insgesamt werden aber auch hierzulande mehr Babys geboren, das beobachten wir auch. Vor allem von Frauen mit Migrationshintergrund.

Der Hauptgrund für den Geburtenrückgang war lange Zeit, dass es kaum noch kinderreiche Familien gibt. Dass Frauen ein drittes oder viertes Kind bekommen - wie häufig passiert das heute?

Wiesen: Eher selten. Das gibt es schon, aber es ist sicher nicht die Regel. In den Neunziger Jahren war es eine Zeit lang modern, drei Kinder zu bekommen. Heute sind es wieder zwei Kinder, ein Junge, ein Mädchen, ganz klassisch. Das hat natürlich auch mit dem Einkommen zu tun und mit der beruflichen Sicherheit. Wer im Job nur Zeitverträge bekommt, entscheidet sich eher nicht für drei oder vier Kinder, falls überhaupt. Ähnlich ist es bei der Wohnungssuche: In Deutschland bekommen Sie mit drei Hunden leichter eine Wohnung als mit drei Kindern.

Ist unsere Gesellschaftlich nicht kinderfreundlich genug?

Wiesen: Nein, das ist sie leider nicht. Das hemmt viele Leute, mehr Kinder zu bekommen. Manche Frauen sind aber einfach auch gerne berufstätig, und das geht mit zwei Kindern wesentlich stressfreier als mit fünf. Oder sie bekommen gleich gar kein Kind.

Kann die Politik mehr tun, um die Geburtenrate zu erhöhen?

Wiesen: Also eigentlich haben wir doch schon gute Gesetze in Deutschland, das muss man auch mal sehen. Elterngeld und die Elternzeit für Väter sind doch tolle Privilegien.

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