Nach brutalem Terroranschlag Neuseeland trauert um die Opfer von Christchurch

Christchurch · Es sind die Tage der Blumensträuße, der Kerzen, der Plüschtiere. So wie das die Leute in Christchurch von früheren Gelegenheiten aus dem Fernsehen kannten – nach all den Terroranschlägen der letzten Jahre.

 Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern (mit schwarzem Kopftuch) tröstet die Hinterbliebenen des Terroranschlags.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern (mit schwarzem Kopftuch) tröstet die Hinterbliebenen des Terroranschlags.

Foto: dpa/Uncredited

Nur dass sie jetzt, auf ihrer eigentlich so friedlichen neuseeländischen Insel, so weit entfernt im Pazifik, selbst betroffen sind.

An vielen Orten in der 350 000-Einwohner-Stadt wird jetzt der 50 Todesopfer des rechtsextremistischen Anschlags auf zwei Moscheen gedacht: vor den Gotteshäusern selbst; an den Absperrungen, vor den Krankenhäusern, wo mehr als 30 Leute immer noch in Behandlung sind. Die Furcht ist groß, dass nicht alle durchkommen.

Viele Einwohner zieht es zur Al-Nur-Moschee. Allein hier erschoss der Attentäter 42 Menschen. An einem Gitter hängt nun eine Zeichnung: eine Frau mit Dutt und eine Frau mit Kopftuch, die sich umarmen. Darunter steht: „Das ist Eure Heimat. Ihr hättet hier sicher sein sollen. Mit Liebe für unsere muslimische Gemeinschaft.“

Mohammed Lidon Biswas, vor sieben Jahren aus Bangladesch eingewandert, war selbst auf dem Weg zum Freitagsgebet. Etwas später als sonst. Als er die Schüsse hörte, blieb er stehen. Dann sah er die Leichen. „Bis gestern haben wir gedacht, Neuseeland sei der Himmel auf Erden.“

Die Opfer kommen aus Einwandererfamilien. Oder sind Flüchtlinge. Wie Hadschi-Daud Nabi, der schon vor vier Jahrzehnten aus Afghanistan kam. Er wurde 71, ist jetzt einer der Helden. Nach Augenzeugenberichten warf sich der alte Mann in die Schusslinie, um andere zu retten.

Nach einer – noch inoffiziellen – Liste der Behörden ist das jüngste Todesopfer drei Jahre alt, das älteste 77. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind alle muslimischen Glaubens. Bis Mittwoch wird es vermutlich dauern, bis die Polizei die Leichname freigegeben hat. Obwohl die Gräber längst ausgehoben sind. Muslime werden normalerweise innerhalb von 24 Stunden beigesetzt.

Premierministerin Jacinda Ardern, die mit ihrem Lebensgefährten und der kleinen Tochter nach Christchurch gekommen ist, sagt: „Neuseeland ist in Trauer vereint.“ Sie trägt schwarz – und auch ein Kopftuch.

Fast zur gleichen Zeit wird der mutmaßliche Täter zum ersten Mal einem Richter vorgeführt. Der 28-jährige Australier, seit ein paar Jahren in Neuseeland zu Hause, hat weiße Häftlingskleidung an und Handschellen um die Gelenke. Mit der Hand macht er das „Okay“-Zeichen. Manche sehen darin einen rechten Gruß: „White Power“.

Nach allem, was man inzwischen weiß, war der Attentäter bei seinem brutalen Werk allein zugange. Fünf Schusswaffen hatte er dabei, halbautomatische Waffen und Schrotflinten. Jetzt erwartet ihn ein Prozess wegen vielfachen Mordes. Überwältigt wurde er erst, als er in der zweiten Moschee acht weitere Menschen umgebracht hatte und mit dem Auto auf der Flucht war.

Gestern stellte die Premierministerin klar, dass er in Neuseeland vor Gericht kommen wird – und nicht in Australien. Sie bestätigte auch, dass in ihrem Büro neun Minuten vor der Tat eine E-Mail einging mit einer Kampfschrift von 74 Seiten. In dem Manifest, das im Netz kursiert, hatte er seinen Islam-Hass dargelegt und sich selbst als „ethno-nationalistischen Ökofaschisten“ bezeichnet. Ardern versicherte, dass in der Mail keine Hinweise auf den Ort der Tat gewesen seien. Sie kündigte strengere Waffenkontrollen an. „Unsere Waffengesetze werden sich ändern.“

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