Neues Saar-Kabinett unter Jamaika-Flagge

Genau 71 Tage nach der Landtagswahl: Schwarz-gelb-grün sind die neuen politischen Farben im Land. Es ist Dienstag, 9.28 Uhr, als der neue und alte Ministerpräsident Peter Müller mit ruhig-fester Stimme von der Abgeordnetenbank aus versichert: "Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen

Genau 71 Tage nach der Landtagswahl: Schwarz-gelb-grün sind die neuen politischen Farben im Land. Es ist Dienstag, 9.28 Uhr, als der neue und alte Ministerpräsident Peter Müller mit ruhig-fester Stimme von der Abgeordnetenbank aus versichert: "Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen."

Kurz zuvor hatte Landtagspräsident Hans Ley das Wahlergebnis bekannt gegeben: 27 Stimmen für Müller, 23 gegen ihn. Bei den Jamaika-Koalitionären kommt Beifall auf, kein donnernder Applaus, keine politische Euphorie. Bei Sozialdemokraten und Linken rührt sich keine Hand. Dennoch gehört Chefgenosse Heiko Maas zu den ersten Gratulanten des Regierungschefs - mit steiniger Miene. Kein leichter politischer Tag für den SPD-Vormann, der den Sessel in der Staatskanzlei einnehmen wollte.

Für das Jamaika-Bündnis, auf Landesebene bisher einmalig in der Republik, ist es eine gelungene Premiere. Nach Wochen teils quälend langer Sondierungs- und Koalitionsgespräche kommt Schwarz-Gelb-Grün endlich zu Potte. Das Saarland wird zu einem Versuchs-Labor für einen neuen politischen Farben-Mix.

Gestern hat die Koalition "gestanden". Müller bekommt in geheimer Abstimmung so viele Stimmen, wie Jamaika im Landtag Köpfe hat. Dass die Auszählung etwas länger dauert, ist auf einige doppelt gefaltete Stimmzettel im Briefumschlag zurückzuführen - und nicht auf mangelnde Zählkünste der beiden jüngsten Abgeordneten von Union und SPD, Roland Theis und Anke Rehlinger. An diesem Morgen wollen einzelne Abgeordnete eben auf Nummer sicher gehen. Nein, ein mögliches Abstimmungs-Desaster wie im schwarz-roten Thüringen war in den vergangenen Tagen in der Landespolitik kein Thema. Schließlich hatten sich die Parteitage trotz manch kritischer Töne mit großer Mehrheit für Schwarz-Gelb-Grün ausgesprochen.

Bereits zum dritten Mal seit 1999 legt Ministerpräsident Müller wenige Minuten nach seiner Wahl den Eid auf die saarländische Verfassung ab. Später hebt er vor dem Parlament in seiner Eigenschaft als Justizminister noch einmal die Hand: "So wahr mir Gott helfe." Anschließend sind es die Minister Karl Rauber, Peter Jacoby, Stephan Toscani, Annegret Kramp-Karrenbauer (alle CDU), Christoph Hartmann und Georg Weisweiler (beide FDP), die von Landtagspräsident Ley vereidigt werden. Die Grünen-Minister Klaus Kessler und Simone Peter verzichten auf den Gottesbezug in der Eidesformel.

Dass das zehnwöchige Koalitionspoker Spuren in den Parteien hinterlassen hat, die weit über die üblichen atmosphärischen Störungen hinausgehen, ist vor der Plenarsitzung nicht zu übersehen. Kühlschrank-Temperaturen herrschen zwischen den meisten Genossen und den Grünen. Bestenfalls mit eisiger Miene ein knapper Händedruck, mehr ist nicht drin. Ja, die Maas-Mannen fühlen sich von dem Obergrünen Ulrich, der einem Jamaika-Bündnis den Vorzug gab, verraten und verkauft. Sie machen aus ihrer politischen Seele keine Mördergrube. Die persönlichen Verletzungen sitzen tief.

Vom fehlenden Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine ist an diesem Vormittag nur am Rande die Rede. Der Landtagspräsident entschuldigt ihn. Lafontaine gibt einem Auftritt in Berlin den Vortritt, wo er zur Regierungserklärung von Angela Merkel reden will. Bei N 24 meint er mit Blick auf die Saar-Koalitionäre: "Das ist keine Koalition, sondern Jamaika-Korruption." Ein FDP-Unternehmer habe sich eine Regierung zusammengekauft. Heute will Müller seine Staatssekretäre vorstellen. Neu sind nach SZ-Informationen die Abgeordneten Georg Jungmann für das Innen- und Martin Karren für das Ressort Arbeit, Familie und Soziales. Für kommenden Mittwoch ist die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vorgesehen. 79 Tage nach der Wahl. "Jamaika wird sich für die Saarländer schon bald als Fluch der Karibik entpuppen."

SPD-Landeschef Heiko Maas

Hintergrund

"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe." Diesen Eid müssen die Minister vor Amtsantritt ablegen. Die Formel kann auch ohne Gottesbezug geleistet werden. dpa

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