Neues Feuer im alten Kampf um die Kernkraft
Lüchow-Dannenberg. Mitten im Wald treffen Polizei und rabiate Atomkraftgegner aufeinander. Mehrere hundert Demonstranten haben sich bei Hitzacker (Niedersachsen) im Dickicht zu den Gleisen durchgeschlagen, plötzlich gehen dort Holzbarrikaden in Flammen auf, Demonstranten werfen Knallkörper
Lüchow-Dannenberg. Mitten im Wald treffen Polizei und rabiate Atomkraftgegner aufeinander. Mehrere hundert Demonstranten haben sich bei Hitzacker (Niedersachsen) im Dickicht zu den Gleisen durchgeschlagen, plötzlich gehen dort Holzbarrikaden in Flammen auf, Demonstranten werfen Knallkörper. Auf den Bahngleisen kommt es gestern im Wendland schon Stunden vor dem erwarteten Eintreffen des Atommüll-Zuges aus Frankreich zu Ausschreitungen. Die Polizei treibt gewalttätige Demonstranten mit Schlagstöcken auseinander. Wasserwerfer sind im Einsatz, um Feuer auf den Schienen zu löschen. Den ganzen Tag über belagern Protestgruppen an vielen Stellen die Schienen - sie wollen den Transport ins Atommüll-Zwischenlager Gorleben stoppen. Die Polizei, die mit mehr als 10000 Beamten die Strecke in Niedersachsen sichert, spricht von einem "Katz-und-Maus-Spiel". Viele Aktionen bleiben aber friedlich. Am Nachmittag versammeln sich hunderte Atomkraftgegner mit roten Zipfelmützen auf den Gleisen - sie pusten Seifenblasen in die Menge. Freiwillig geben auch sie ihre Sitzblockade nicht auf, aber die Polizisten können sie ohne größere Zwischenfälle von der Zugstrecke wegtragen. "Wir wollen kein Kräftemessen mit der Polizei", sagt ein friedlicher Demonstrant. Im Schutz der Dämmerung kommt es dann plötzlich zu immer neuen Blockaden. Die Polizei, die schweres Räumgerät bereithält, spricht erneut von gewalttätigen Demonstranten im dicht bewaldeten Gelände. Hubschrauber liefern Bilder aus der Luft ins Lagezentrum, die Situation wird für die Einsatzkräfte unübersichtlich. "Es gibt Leute, die nur hier sind, um Krawall zu machen", meint ein Polizeisprecher. Die heiße Phase der Proteste steht traditionell dann bevor, wenn der Zug die Verladestation in Dannenberg erreicht hat und der Atommüll für die Weiterfahrt mit Lastwagen bis nach Gorleben vorbereitet wird. Dort harren seit Samstagnachmittag hunderte Menschen auf der Straße vor dem Zwischenlager aus, wo die Behälter nach rund 1000 Kilometern Fahrt aus Frankreich gelagert werden. Die Demonstranten wickeln sich in goldfarbene Wärmefolien ein, liegen auf Strohsäcken und teils unter Planen zum Schutz vor dem Regen. "Wir haben schon bei Minusgraden und trotz Wasserwerfern ausgeharrt", sagt Katja Tempel, die seit mehr als 20 Jahren gegen Atomkraft protestiert. Die Demonstranten wollen Durchhaltewillen zeigen und die Zufahrt zur Halle nicht freigeben. Auch die vier Mitglieder der Umweltschutzorganisation Robin Wood, die sich in luftiger Höhe an einem Seil über der Straße zum Zwischenlager befestigt haben, harren aus. Wann sich der Transport seinem Ziel nähert, bleibt am frühen Sonntagabend zunächst ungewiss - vor allem wegen einer zwölfstündigen Verzögerung nach einer Gleisblockade in der Südpfalz. Die Sprecher der verantwortlichen Polizeidirektion Lüneburg demonstrieren Gelassenheit: Es komme nicht darauf an, dass die Atommüll-Behälter schnell im Zwischenlager seien, sondern möglichst sicher.