Neue Regeln im Rotlicht

Saarbrücken/Berlin · 2002 hatte die rot-grüne Bundesregierung die Prostitution liberalisiert. Zu stark liberalisiert, befand mittlerweile selbst die SPD. Deshalb hat sie sich jetzt mit der CDU auf ein neues Gesetz geeinigt.

 Im Rotlicht könnte sich bald einiges ändern. Die große Koalition hat ein neues Prostitutionsgesetz auf den Weg gebracht. Foto:dpa

Im Rotlicht könnte sich bald einiges ändern. Die große Koalition hat ein neues Prostitutionsgesetz auf den Weg gebracht. Foto:dpa

Dass es in Saarbrücken viele Prostituierte gibt, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Nur wie viele, das kann niemand so genau sagen. Auch die Polizei nicht. 800 bis 1000 schätzt man dort. Zu viele, da ist sich die Politik allerdings weitgehend einig, ohne genau zu wissen, wie sie der Lage Herr werden soll.

Versucht hatten es Landesregierung und Stadtverwaltung. Erst mit neuen, größeren Sperrbezirken in Saarbrücken und dann mit einer landesweiten Kondompflicht. Eben dem, was im Rahmen der Möglichkeiten von Stadt und Land liegt. "Die Sperrbezirksverordnung wird von den Frauen eigentlich gut angenommen", sagt Jörg Wagner von der Polizeiinspektion St. Johann. Die Überprüfung der Kondompflicht sei aber kaum möglich, heißt es aus dem Regionalverband Saarbrücken, dessen Gesundheitsamt für die Kontrollen zuständig ist: Es gebe schlicht zu wenig Personal .

Doch dass mit diesen Regelungen der Kampf gegen Zwangsprostitution und Ausbeutung nicht zu gewinnen ist, dürfte den Beteiligten ohnehin klar gewesen sein. Entscheidende Änderungen werden auf Bundesebene entschieden, nicht in Stadt oder Land.

Seit Dienstagabend ist nun ein neues Gesetz auf dem Weg. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich CDU /CSU und SPD auf gemeinsame Grundzüge eines neuen Prostitutionsgesetzes geeinigt. Das hatte zwar schon im Koalitionsvertrag gestanden, aber erst Anfang dieser Woche konnten sich Union und SPD bei den entscheidenden Punkten verständigen.

Im Kern des neuen Gesetzes, das wohl noch vor der Sommerpause auf den Weg gebracht werden soll, stehen eine Anmeldepflicht für Prostituierte und eine Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber. Für die Prostituierten bedeutet das, dass sie sich künftig alle zwei Jahre anmelden müssen. Voraussetzung dafür sind regelmäßige Beratungen bei Ärzten. Die Union hatte sogar verpflichtende Untersuchungen gefordert, war damit jedoch an der SPD gescheitert.

Auch für die Betreiber steigen die Hürden. Sie müssen künftig eine Erlaubnis einholen, um ein Bordell eröffnen zu können. Vorstrafen könnten die Erlaubnis deutlich erschweren. Wie der zusätzliche personelle Aufwand bei Kommunen und Polizei kompensiert werden soll, steht allerdings noch nicht fest.

Auch bei den größten Streitpunkten einigten sich die Parteien am Dienstag. So bekam die CDU die gewünschte Kondompflicht, dafür verzichtete sie darauf, das Mindestalter für Prostitution auf 21 Jahre anzuheben. "Die Beschränkung auf 21 Jahre wäre auch verfassungsrechtlich schwer umzusetzen gewesen", sagte Nadine Schön, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag. Ob es ein Gesetz geben wird, das Freier von Zwangsprostituierten bestraft, wird derzeit noch ausgelotet.

Die Koalition zeigte sich zufrieden mit der Einigung. "Es wird erstmalig klare Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland geben, die dem Schutz der Frauen dienen", sagte Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD ) gestern in Berlin. Auch die saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer (CDU ) war zumindest teilweise zufrieden: "Die Einigung ist nicht das Optimum von dem, was ich mir gewünscht hätte. Aber sie ist ein vertretbarer und gangbarer Kompromiss. Das neue Prostitutionsgesetz ist für mich ein wichtiges Zeichen in die richtige Richtung." Ohnehin muss die Umsetzung des Gesetzes noch mit den Ländern abgestimmt werden.

Kritik an der Regelung kam von der Opposition. "Sexarbeiterinnen werden durch das Gesetz nicht etwa geschützt, sondern vielmehr entrechtet und in ein Schattendasein zurückgedrängt", erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Cornelia Möhring. Die verpflichtende Gesundheitsberatung und die Meldepflicht seien "ein Rückschlag für die Prostituierten", erklärte die Grünen-Frauenexpertin Ulle Schauws.

Meinung:

Umsetzung benötigt Personal

Von SZ-Redakteur Johannes Schleuning

Politik ist die Kunst, Brände zu löschen, die man selbst gelegt hat. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung vor 13 Jahren letztlich ungewollt die Geschäftemacher im Rotlicht-Milieu - und nicht die Prostituierten - gestärkt hat, wirkt die jetzige Gesetzes-Neuregelung wie ein später Feuerwehr-Löschzug mit Blaulicht. Dass er endlich auftaucht, lässt zwar hoffen. Aber es bleiben Zweifel, ob seine Löschkraft und vor allem die Zahl der Helfer ausreicht. Denn zum einen lässt sich etwa die geplante Zuverlässigkeitsprüfung für Bordell-Betreiber mit Hilfe von Strohmännern leicht umgehen und die Kondompflicht für Freier schwer überprüfen. Zum anderen sind all die Änderungen grundsätzlich nur so gut wie ihre Kontrolle durch Behörden. Weil bei Polizei und Ämtern bundesweit aber eher Personal eingespart als aufgestockt wird, könnte am Ende mit dem neuen Gesetz zwar ein Löschzug bereit stehen, aber die Mannschaft zur Brandbekämpfung fehlen.

Zum Thema:

HintergrundIm Saarland gibt es bereits seit vergangenem Jahr verschärfte Regelungen zur Prostitution. Die Kondompflicht, die jetzt auf Bundesebene eingeführt werden soll, gibt es seit Mai. Schon im April hatte die Stadt Saarbrücken den Straßenstrich auf drei Bereiche eingegrenzt und den Rest der Landeshauptstadt zum Sperrbezirk erklärt. Seitdem ist Prostitution nur noch im Deutschmühlental, der Burbacher Hochstraße und in der Dudweiler Landstraße erlaubt. Zudem dürfen Prostituierte im Sommer nur noch von 22 bis 6 Uhr und im Winter von 20 bis 6 Uhr auf dem Straßenstrich arbeiten. Die Polizei geht aber davon aus, dass diese Beschränkungen zu einem "sprunghaften Anstieg" der Wohnungsprostitution geführt hätten. Sie schätzt die Zahl von "Terminwohnungen" auf 300. Zuletzt war es im Saarland auch immer wieder zu Protesten gegen Bordelleröffnungen gekommen. jbö

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort