Neue Forscher arbeiten jetzt den Missbrauch in der Kirche auf

Bonn/Trier · Nach einem gescheiterten ersten Anlauf zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche hat die Bischofskonferenz ein neues Forschungsprojekt gestartet. Sieben Professoren aus vier Fachbereichen sollen die Vorgänge endlich gründlich untersuchen.

Nun wird es also eine neue wissenschaftliche Studie zu Fragen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen im Bereich der katholischen Kirche in Deutschland geben. Er habe dazugelernt, versichert der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, gestern in Bonn. Dabei strahlt er Zuversicht aus, dass sich die Vorgänge, die im vergangenen Jahr zur Aufkündigung des Forschungsvorhabens mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer geführt hatten, nicht wiederholen werden.

Sieben Professoren - Forensiker, Soziologen, Kriminalisten und Psychologen - haben den Zuschlag für die Studie erhalten. Dreieinhalb Jahre wollen sie nun Akten auswerten, Fragebogen versenden und Interviews führen mit Opfern und Tätern. Das Ziel: "Wir wollen Klarheit und Transparenz über diese dunkle Seite in unserer Kirche - um der Opfer willen, aber auch, um selbst die Verfehlungen zu sehen und alles dafür tun zu können, dass sie sich nicht wiederholen", sagt Ackermann. Die Kirche wolle "eine ehrliche Aufklärung. Die Opfer haben ein Recht darauf."

Neun Bistümer sollen den Wissenschaftlern für ihre Arbeit Daten zu Missbrauchsfällen seit 1945 zugänglich machen. 18 Bistümer sollen Akten seit dem Jahr 2000 öffnen. Parallel wollen die Forscher auch eventuelle Strafakten damit abgleichen. Am Ende der Arbeit erwartet der Leiter des Forschungskonsortiums, Prof. Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, Antwort auf die Frage, ob es spezifische Strukturen und Dynamiken innerhalb der Kirche gibt oder gegeben hat, die Missbrauch fördern. Das Ergebnis, gleich wie es ausfällt, werde dann veröffentlicht, versichert Dreßing. Das sei vereinbart. Ackermann pflichtet ihm bei.

Beim Streit zwischen Pfeiffer und den Bischöfen war es vor allem um die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen gegangen. Die Kirche habe die Veröffentlichung nach Widerstand aus einzelnen Diözesen nachträglich reglementieren wollen, obwohl alle Bistümer dem Projekt beim Start zugestimmt hätten, hatte Pfeiffer kritisiert. Sein Institut sei nicht bereit gewesen, sich einer Zensur zu beugen.

Kritik an der jetzt geplanten Datenerhebung kommt von Opferverbänden. In der Untersuchungsanlage sei nur von Bistumsakten die Rede, erklärt der Verband der institutionellen Missbrauchsopfer. Ordensakten würden ausdrücklich nicht genannt und könnten nur mit Zugangserlaubnis der Orden eingesehen werden. Dies führe zu einer Untersuchungslücke.

Die Initiative "Eckiger Tisch" bemängelt, dass es in der einjährigen Vorbereitungszeit des Projektes keinen Versuch der Kirche gegeben habe, auf die Betroffenen zuzugehen. Der Verband fordert die Einsetzung einer Kommission durch das Parlament, die das Kapitel sexuelle Gewalt an Kindern in Familien, Heimen und Institutionen aufarbeiten solle. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Rörig, nennt die Initiative der Kirche dagegen einen "Meilenstein".

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HintergrundIm Saarland wurden mehrere Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen bekannt. So hat es unter anderem in einem früheren Internat der Steyler Missionare in St. Wendel in den 60er und 80er Jahren sexuellen Missbrauch gegeben. Auch im Internat des Homburger Gymnasiums Johanneum ereigneten sich Fälle. Ende 2011 wurden Übergriffe von zwei Priestern aus Lebach und Saarbrücken aus den 70er und 80er Jahren bekannt. 2012 wurde ein damals 72-Jähriger aus Sulzbach wegen Missbrauchs aus dem Klerikerstand entlassen. red

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