Nett, aber nicht zu unterschätzen

Berlin. Für einen flotten Spruch ist Philipp Rösler immer zu haben. Als er Mitte 2010 gefragt wurde, ob er wegen der zahlreichen Widerstände gegen seine Gesundheitsreform schon an Rücktritt gedacht habe, meinte er schlagfertig: "Bambus wiegt sich im Wind, biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht

Berlin. Für einen flotten Spruch ist Philipp Rösler immer zu haben. Als er Mitte 2010 gefragt wurde, ob er wegen der zahlreichen Widerstände gegen seine Gesundheitsreform schon an Rücktritt gedacht habe, meinte er schlagfertig: "Bambus wiegt sich im Wind, biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht." Politisches Stehvermögen wird der 38-Jährige auch in seiner neuen Funktion als FDP-Chef gut gebrauchen können. Gesehnt hat sich Rösler jedenfalls nicht nach dem Posten.Genauso wenig wie im Herbst 2009 nach dem Berliner Minister-Job. Es war Guido Westerwelle, der den netten jungen Mann aus Hannover damals dazu gedrängt hatte. Das bot sich einerseits an, weil Rösler als gelernter Arzt was vom Fach versteht, hatte andererseits aber auch den Hintersinn, dass Westerwelle ihn als Konkurrenten entzaubern wollte. Dumm gelaufen: Ausgerechnet Rösler übernimmt nun seinen Job.

Damit ist die Lebensplanung des Ex-Wirtschaftsministers von Niedersachsen vollends aus den Fugen geraten. Schon jetzt leidet Rösler unter der räumlichen Trennung von Ehefrau Wiebke und den Zwillingstöchtern Grietje und Gesche. Als sich eine von ihnen vor Wochen die Lippe aufgeschlagen hatte, vergaß er sein Ministerdasein und beriet sich ausführlich mit Wiebke am Telefon, was da jetzt zu tun sei. Solche Anekdoten machen ihn für seine Mitarbeiter menschlich und sympathisch. Für die Führung einer zutiefst verstörten Partei bedarf es jedoch noch anderer Qualitäten: Durchsetzungsfähigkeit und Biss. Die hat Rösler im Politikbetrieb der Hauptstadt bislang nur mäßig unter Beweis gestellt. Seine Gesundheitsreform ist nach der reinen liberalen Lehre ein Torso geblieben. Und von der geplanten Pflegereform dürfte am Ende wohl ebenfalls nur die unvermeidliche Beitragsanhebung im öffentlichen Bewusstsein haften bleiben. Aber Rösler kann offenbar auch anders. Den "Vizekanzler" hat er Westerwelle angeblich regelrecht abgetrotzt. Das zeugt auch von Selbstbewusstsein gegenüber Angela Merkel. Unterschätzen sollte man ihn jedenfalls nicht.

Mit 45 sei für ihn Schluss in der Politik, hat Rösler gesagt. Als Parteichef wären das immerhin noch sieben Jahre - länger hat es die FDP nur mit Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher ausgehalten. vet

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