Neues Umfragetief Nervöse SPD auf der Suche nach Profil

Berlin · Gut und ruhig regieren? Oder mehr Dampf? Diese Fragen spalten die Partei, die in Umfragen inzwischen auf bis zu 16 Prozent abgestürzt ist.

 Für seine Rede zum Haushaltsentwurf erntete der SPD-Finanzminister Olaf Scholz viel Kritik aus der eigenen Partei. Überhaupt sehen viele Sozialdemokraten seinen Kurs kritisch und wünschen sich mehr Dampf.

Für seine Rede zum Haushaltsentwurf erntete der SPD-Finanzminister Olaf Scholz viel Kritik aus der eigenen Partei. Überhaupt sehen viele Sozialdemokraten seinen Kurs kritisch und wünschen sich mehr Dampf.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Olaf Scholz will jetzt etwas geraderücken. Er redet Tacheles, als er am Freitag im Bundestag noch einmal das Wort ergreift. Es hat sich da was angestaut. Viele Leute würden Sachen behaupten, die schlicht Unsinn seien, kritisiert der Finanzminister und SPD-Vizekanzler. Es geht um seinen Haushaltsentwurf, der in allen Facetten diese Woche kontrovers im Parlament diskutiert worden ist.

Richtet sich der Rüffel auch an das zunehmend nervöse eigene Lager? In der SPD wächst der Verdacht, Scholz wolle einfach die CDU-Politik von Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble fortsetzen. Und er habe mit einer schlechten Kommunikation bei der Vorstellung der Etatpläne Attacken der Opposition Tür und Tor geöffnet. „Das war kommunikativ ganz alte Schule. Und leider weit von einer neuen SPD entfernt, weil er die Opposition ohne Not zum politischen Konter eingeladen hat“, sagt Juso-Chef Kevin Kühnert.

Nun wird bei Scholz ein zu starker Fokus auf Sparen und Schuldenabbau kritisiert – die SPD-Linke fordert, stattdessen viel mehr in die Modernisierung der Infrastruktur zu investieren und schuldengeplagte Kommunen wieder handlungsfähiger zu machen. Scholz betont wie Schäuble, in guten Zeiten müsse man auch Schulden abbauen. Dank sprudelnder Steuereinnahmen werde trotzdem kräftig investiert. 56 Milliarden Euro wollten Union und SPD bis 2021 zusätzlich ausgeben. Etwa für gebührenfreie Betreuungs- und Bildungsangebote, sozialen Wohnungsbau, ein höheres Kindergeld und Digitalisierung.

Doch es zeigt sich, die SPD wird unruhig, nach zwei Monaten großer Koalition. Da die SPD es nicht schafft, Debatten zu bestimmen, mit einem Thema mal richtig große Emotionen zu wecken. In einer neuen ARD-Umfrage liegt die Partei nur noch bei 17 Prozent, das Institut gms verzeichnet sogar ein Allzeittief von 16 Prozent, der Koalitionspartner CDU/CSU ist mit 34 Prozent mehr als doppelt so stark. Im ZDF-Politbarometer sind es immerhin noch 20 Prozent für die SPD. 2019 könnte bei einem Bundesparteitag der SPD über einen Abbruch der Koalition abgestimmt werden. Bleibt die Lage so, könnte die Option eine ernsthafte werden. Derzeit läuft eine Testphase, mit welchem Koalitionskurs der Abwärtstrend gestoppt werden könnte.

Teil 1, Zugspitze. So schöne Bilder. SPD-Chefin Andrea Nahles lächelnd am Gipfel, eingerahmt von Alexander Dobrindt (CSU) und Volker Kauder (CDU). In sozialen Medien ergoss sich Spott: Die kostspielige Klausur der Fraktionsspitzen auf dem höchsten Berg Deutschlands zeige die Abgehobenheit der Politik. Fraktions- und Parteichefin Nahles und ihr Vizekanzler Scholz wollen mit guter Arbeit Vertrauen zurückgewinnen. Sacharbeit statt Springen über jedes Stöckchen, etwa wenn Dobrindt gegen eine Anti-Abschiebe-Industrie wettert. Doch die Koalitionsharmonie-Show kam intern schlecht an.

Die Einbringung des Bundeshaushalts sollte nun die SPD wieder in die Offensive bringen. Doch stattdessen verstärkte sich das Genöle noch, auch weil Scholz wie ein Buchhalter ohne Leidenschaft aufgetreten sei. Im Bundestag folgte daraufhin Teil 2 der Testphase, die andere Nahles. Keine Harmonie wie auf der Zugspitze, sondern Attacken gegen Dobrindt. Und Drohungen mit richtigem Krach, wenn die Union nicht endlich den Widerstand aufgibt gegen ein Rückkehrrecht von Teilzeit- auf Vollzeitstellen, etwa nach einer längeren Auszeit zur Kinderbetreuung. Doch die Regelung soll ohnehin erst bei Unternehmen ab 45 Beschäftigten eingeführt werden.

Hier der staatstragende Scholz, da die polternde Nahles – doch hinter dieser Kurssuche stellt sich vor allem die Frage: Setzt die SPD die richtigen Akzente? Trifft sie das Gefühl der „kleinen Leute“? Etwa wenn sich die Spitze beim Familiennachzug für Flüchtlinge verkämpft?

Zudem gibt es reihenweise ungeklärte Positionen, etwa ob die Russland-Sanktionen abgemildert werden sollen oder ob Hartz IV reformiert werden muss. Die nur 66 Prozent Ja-Stimmen bei Nahles‘ Wahl zur SPD-Chefin waren Ausdruck der Sorge, dass es mit der erneuten großen Koalition läuft wie zuvor: Man arbeitet den Koalitionsvertrag ab, setzt viel rote Politik durch, aber gewinnt kaum neues Profil und Wählerzustimmung.

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