Nato sieht schwere Bedrohung der Sicherheit – Polen besorgt

Brüssel · Die russischen Militäraktionen auf der Krim verunsichern auch Polen. Das Nachbarland der Ukraine hat die Nato um Beistand ersucht. Heute werden die Botschafter der Nato-Staaten mit dem Nato-Botschafter Russlands über die Lage sprechen.

Es ist der Bündnisfall, dessen Ausrufung die Nato selbst wohl gerne so lange wie möglich hinauszögern will. Zum ersten Mal in der Geschichte der Allianz hat mit Polen ein Mitgliedsland um Beistand nach Artikel 4 der Nato-Charta ersucht. Der Artikel tritt in Kraft, wenn ein Mitglied um die Unversehrtheit des eigenen Territoriums fürchtet, sich in seiner politische Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht sieht. Polen grenzt unmittelbar an den Unruhe-Herd Ukraine.

Nach stundenlangen Beratungen verständigten sich die 28 Mitglieder der Allianz gestern Abend dennoch eher auf eine Einschätzung der Bedrohungslage denn eine klare Antwort. Die russischen Militäraktionen haben "ernste Auswirkungen auf die Sicherheit und die Stabilität des euro-atlantischen Gebietes", heißt es in einer Erklärung, die die Botschafter verabschiedeten. "Die Verbündeten stehen in dieser schweren Krise im Geiste starker Solidarität zusammen." Noch während der Beratungen platzte die vielleicht wichtigste Nachricht des Tages in die Runde: Heute will Moskaus Vertreter bei der Allianz, Alexander Gruschko, im Rahmen des Nato-Russland-Rates den westlichen Vertretern Rede und Antwort stehen. "Wir brauchen das Bündnis auch als Gesprächsforum", sagte ein hoher Diplomat gegenüber unserer Zeitung. "Jeder Gesprächsfaden sollte jetzt genutzt werden, wenn er zur Klärung und zur Deeskalation beitragen kann."

Ein formeller Beschluss, der nur in militärischen Schutzmaßnahmen für die Grenz-Nachbarn Kiews bestehen könnte, wäre in der jetzigen Situation wohl eher ein Beitrag zur Verschärfung der Lage gewesen. Das weiß man auch in Brüssel. "Bisher konnten wir uns auf Appelle und Verurteilungen beschränken", betonte ein Bündnis-Vertreter. "Der Griff zum Artikel 4 hat eine andere Qualität." Dennoch habe man deutlich machen wollen, dass die Nato das Verhalten Moskaus als "Sicherheitsrisiko" einstufe.

Eine Vorleistung hat das Bündnis erbracht, um Moskau nicht zusätzlich zu reizen. Erst vor wenigen Tagen verzichtete es darauf, eine erneute Garantie-Erklärung für die Ukraine abzugeben, die man 2009 schon einmal als Vollmitglied aufnehmen woll te.

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