Nachholbedarf bei der Bildungsgerechtigkeit

Saarbrücken/Gütersloh · In Deutschland brechen wieder mehr Kinder mit Migrationshintergrund die Schule ab – auch im Saarland.

 Schulerfolg hängt hierzulande viel zu stark von der Herkunft ab, warnt die Bertelsmann-Stiftung. Foto: dpa

Schulerfolg hängt hierzulande viel zu stark von der Herkunft ab, warnt die Bertelsmann-Stiftung. Foto: dpa

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Chancengleichheit ist ein griffiges Wort - und ein inflationär gebrauchtes noch dazu. Gerade seit der ersten Pisa-Studie von 2001. Sie hatte der gefühlten Bildungsrepublik einen heftigen Schlag versetzt. Seitdem wird das Bildungssystem auf den Kopf gestellt und in einer Fülle von Studien überprüft. So auch gestern wieder. Da veröffentlichte die Gütersloher Bertelsmann Stiftung ihren "Chancenspiegel" in Berlin. Das Ergebnis liest sich recht positiv: Die Bildungschancen haben sich in Deutschlands Schulen klar verbessert. Das System ist moderner, leistungsfähiger und auch gerechter geworden, heißt es mit Blick auf das Pisa-Desaster.

Jedoch gilt das längst nicht für alle Jugendliche. Der Gesamtanteil der Schüler ohne Abschluss hat sich demnach zwar bundesweit von 9,2 auf zuletzt 5,8 Prozent reduziert. Jedoch nicht bei den Schülern mit Migrationshintergrund. Sie sind nach wie vor besonders bedroht vom Schulversagen - mit all seinen Folgen für Ausbildung und Jobsuche.

Die Abbrecher-Quote bei ausländischen Schülern fiel zwar zunächst von 16,9 (2003) auf 12,1 Prozent (2011), kletterte seitdem aber wieder auf 12,9 Prozent. Auch im Saarland. Das Bundesland ist eines von elf Ländern, bei denen es einen klaren Abwärtstrend gibt. Verließen hierzulande 2011 nur 9,3 Prozent die Schule, waren es 2014 wieder 12,9 Prozent. "Im Saarland gilt wie immer der Fluch der kleinen Zahlen: Bricht hier nur eine Handvoll Schülerinnen und Schüler die Schule ab, steigt auch die Abgängerquote wahrnehmbar", erklärt Saar-Bildungsstaatsekretärin Andrea Becker den Anstieg.

Allerdings variieren die Werte je nach Studie. So attestierte der aktuelle "Bildungsmonitor" dem Saarland 2014 einen Spitzenplatz, was die geringe Abgängerquote von Migranten angeht. Eindeutiges Schlusslicht in der Bertelsmann-Studie ist das Land Sachsen. Dort schaffen drei von zehn Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln keinen Abschluss.

Für den Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger ist das ein Warnsignal: "Es bleibt eine große Herausforderung, Jugendlichen zumindest einen Hauptschulabschluss zu ermöglichen, gerade wenn sie als Flüchtlinge erst spät ins deutsche Schulsystem einsteigen." Ein Schlüssel für mehr Gerechtigkeit liegt laut den Bildungsexperten aus Gütersloh in der Ganztagsbetreuung - von der Kita an bis zum Gymnasium. Bundesweit ist der Wert der ganztagsbetreuten Schüler seit 2002 von 9,8 auf 37,3 gestiegen. Auch das Saarland verzeichnet einen stetigen Anstieg: von 4,3 auf 28,6 Prozent. Der Wert ist dennoch unterdurchschnittlich, obwohl das Bundesland eine der größten Dichten an Ganztagsschulen in Deutschland aufweist.

Im Vorfeld der Studien-Veröffentlichung hat es in diesem Bereich jedoch einen Disput zwischen dem Saar-Bildungsministerium und der Bertelsmann-Stiftung gegeben. In der Studie sinkt der Ganztagsschulanteil von 93,6 (2011) auf 79,1 (2014). Ein "Fehler", sagt eine Sprecherin des Bildungsministeriums. Hier wurden nach der Umstellung auf das Zwei-Säulen-Modell mit Gemeinschaftsschulen und Gymnasien (2012) die Vorgängerschulen mit eingerechnet. Also gut 60 mehr, als es tatsächlich gibt, so das Ministerium. Darauf macht auch die Stiftung aufmerksam - in einer Fußnote.

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