Nach zehn Jahren Pause: Neustart für große Koalition in Berlin

Berlin. Es war ein Versprecher, der das Neue und ursprünglich nicht Gewollte noch einmal offenbarte. "Das Werk ist vollbracht", hob Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gestern an. "Der Koalitionsvertrag zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Christlich-Sozialen Union . . ."

 Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und CDU-Landeschef Frank Henkel regieren Berlin künftig gemeinsam. Foto: Jensen/dpa

Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und CDU-Landeschef Frank Henkel regieren Berlin künftig gemeinsam. Foto: Jensen/dpa

Berlin. Es war ein Versprecher, der das Neue und ursprünglich nicht Gewollte noch einmal offenbarte. "Das Werk ist vollbracht", hob Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gestern an. "Der Koalitionsvertrag zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Christlich-Sozialen Union . . .". Der Rest ging im Gelächter der gut 30 Journalisten und seines künftigen Koalitionspartners Frank Henkel unter. Der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende nahm die Verwechslung mit der Schwesterpartei CSU mit Humor. "Wie der Regierende Bürgermeister schon gesagt hat, wir müssen uns noch aneinander gewöhnen."Der 58-jährige Regierungschef und sein zehn Jahre jüngerer künftiger Innensenator sahen wenige Stunden nach zehnstündigen Verhandlungen bis in den frühen Morgen erstaunlich frisch aus. Henkel, der gestern 48 Jahre alt wurde, meinte leicht gequält: "Was gibt es Schöneres, als den Geburtstag in langen Nachtverhandlungen zu verbringen?"

Für Wowereit und die Berliner Sozialdemokraten fühlt es sich in der Tat noch ungewohnt an, künftig mit der konservativen CDU und nicht mehr mit den Linken zu regieren. Erleichtert wird dies jedoch sichtbar durch die Chemie, die zwischen den beiden Frontmännern stimmt. Wowereit und Henkel gehen ebenso respekt- wie humorvoll miteinander um, ohne sich zu düpieren.

Vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September war die CDU für die SPD dagegen nicht mehr als eine theoretische Option. Damit konnte man den Wunschpartner Grüne unter Druck setzen. Doch dann zerplatzte der rot-grüne Regierungstraum hart an einem 3,2 Kilometer langen Autobahnteilstück. Danach zerlegten sich die Grünen in einem verbissenen fraktionsinternen Machtkampf zwischen dem Linken- und dem Realo-Flügel, der an ihrer Regierungsfähigkeit zweifeln lässt.

Daran erinnerte Wowereit zum Schluss der Pressekonferenz. Angesichts der Entwicklung bei den Grünen frage er sich, "mit welchem Konfliktpotenzial und welcher Instabilität" diese Koalitionsvereinbarung zustande gekommen wäre, wenn überhaupt. "Das ist ein Hinweis, dass es richtig war, diesen Weg zu gehen und nicht den anderen", sagte der SPD-Regierungschef.

Denn viele Sozis hatten nach dem Scheitern von Rot-Grün arge Bauchschmerzen. Zu tief sitzt noch die Erfahrung der Koalition mit der CDU, in der die SPD als kleinerer Partner in den 1990er Jahren auf zuletzt gut 22 Prozent zusammengeschmolzen war. Doch nun muss sich die CDU wappnen, als Juniorpartner diese Erfahrung zu machen.

Und der Koalitionsvertrag trägt deutlich mehr sozial- als christdemokratische Handschrift. So bescherte die CDU dem Regierenden Bürgermeister seine beiden Lieblingsprojekte: Neubauten für die Landes- und Zentralbibliothek und wahrscheinlich auch für eine Kunsthalle für zeitgenössische Kunst. Die SPD setzte durch, dass der Ethikunterricht in Berlin Pflicht und der Religionsunterricht freiwillige Kür bleibt. Die von Rot-Rot angeschobene Schulreform mit einem zweigliedrigen System aus Oberschule und Gymnasium bleibt unangetastet, Kitas und Hochschulen sind weiterhin gebührenfrei. Die Christdemokraten verhinderten zu viel Landeseinfluss bei der S-Bahn und bei der Gas- und Energieversorgung. Sie setzte außerdem durch, dass mehr Polizisten auf die Straße kommen.

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