Merkels Regierungserklärung Ein bisschen Gipfelroutine zwischen zwei Wahlen

Berlin · Die Kanzlerin spricht im Bundestag lange über EU-Themen, kurz über einen möglichen harten Brexit – und nicht über Bayern.

 Mit Handtasche wie einst „Maggie“ Thatcher: Kanzlerin Merkel sprach im Bundestag gestern aber nur wenig über den Brexit.

Mit Handtasche wie einst „Maggie“ Thatcher: Kanzlerin Merkel sprach im Bundestag gestern aber nur wenig über den Brexit.

Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

Zwischen zwei deutschen Landtagswahlen gibt es ja auch noch die Welt. Mindestens Europa. Und deswegen hält sich Angela Merkel (CDU) bei ihrer Regierungserklärung gestern im Bundestag kurz vor dem EU-Gipfel auch gar nicht erst mit den Wahlklatschen ihrer Koalitionspartner CSU und SPD in Bayern auf. Sie macht auf fast schon aufreizende Weise auf Routine.

Die ganze Merkel-Rede sei „unambitioniert und leidenschaftslos“ gewesen, kritisiert Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hinterher. Das ist stark untertrieben. Die Kanzlerin referiert in ihrem 20-minütigen Vortrag mehr oder weniger langatmig, was auf der Tagesordnung der verschiedenen Gipfeltreffen in Brüssel steht, dessen erstes noch am Abend begann. Und hält sich mit eigenen Bewertungen zurück. Es geht unter anderem um Cybersicherheit, den Schutz vor Missbräuchen im europäischen Wahlkampf. Eventuell durch Strafen für Parteien, die sich nicht an Regeln halten. Die Demokratie müsse wehrhaft sein, sagt Merkel, was zu einem Zwischenruf von Rechtsaußen führt. „Fühlt sich da jemand angesprochen?“, fragt Merkel spitz und blickt Richtung AfD. Es ist das einzige Mal, dass sie vom Manuskript abweicht.

Dann folgt der Gipfel der Euro-Länder, wo laut Kanzlerin aber keine Entscheidungen über die Reformvorschläge von Emmanuel Macron zu erwarten seien. Koalitionspartnerin Andrea Nahles droht darauf in ihrer Rede, dass sie da bis Jahresende aber Fortschritte erwarte, denn die Vertiefung der EU sei „auch einer der wichtigen Gründe gewesen, warum wir diese Regierung gebildet haben“. Auch in der Migrationsfrage, sagt Merkel nebenbei, erwartet sie keine Entscheidungen. Freitag folgt dann der Gipfel mit den asiatischen Staaten, wo es um ein „Signal für die multilaterale Zusammenarbeit“ gehen soll. Als letzten Punkt und in drei Minuten nennt Merkel schließlich den Brexit. Wie unter ferner liefen.

Auch dazu sagt sie inhaltlich fast nichts außer Binsenweisheiten wie: „Das Schwierigste kommt zum Schluss“. Oder: „Die Chance für ein gutes Austrittsabkommen ist da.“ Die Bundesregierung bereite sich auf alle Szenarien vor, fügt sie noch hinzu. Also auch auf den ungeregelten Brexit. Ihre Aufzählung der dann auftretenden großen Probleme bleibt der einzige Hinweis auf die wahre Dramatik der Lage. In den Verhandlungen in Brüssel steht es nämlich Spitz auf Knopf.

Diese Dramatik spiegelt sich in der Debatte nur sehr begrenzt wieder. Am ehesten noch bei Christian Lindner (FDP), der mahnt, man solle so vorgehen, „dass die Kinder derer, die jetzt über den Austritt verhandeln, später über einen Beitritt reden wollen“. Ähnlich Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU), der zwar wie Lindner betont, dass es einen Konsens nicht um jeden Preis geben dürfe, aber hinzufügt: „Die Tür für das Vereinigte Königreich muss offen bleiben.“ Härter äußert sich Nahles. Sie fordert von den Briten, dass sie sich bewegen. Denn: „Es war Großbritannien, das alles hingeschmissen hat.“ Man dürfe London keine „Rosinenpickerei“ durchgehen lassen.

Während Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht zur Brexit-Debatte weitgehend schweigt und andere Europa-Themen voranstellt, nimmt die AfD die Gegenposition zu allen anderen ein: England werde von Europa für sein Unabhängigkeitsstreben abgestraft und „in einen harten Brexit getrieben“, sagt Fraktionschef Alexander Gauland, ähnlich auch Alice Weidel. FDP-Mann Lindner greift die Rechten daher frontal an. Was sie wollten, sei ein „Rabatt“ für die Briten „auf Kosten deutscher Steuerzahler“.

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