Nach der Tragödie sucht Duisburg die Schuldigen
Die Pressestelle der Stadt Duisburg ist praktisch abgetaucht, die Homepage von CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland im Netz abgestellt: Zwei Tage nach der Katastrophe bei der Loveparade mit inzwischen 20 Toten und über 500 Verletzten geht auf die Verantwortlichen ein Trommelfeuer der Kritik mit Rücktrittsforderungen und teils wüsten persönlichen Drohungen nieder
Die Pressestelle der Stadt Duisburg ist praktisch abgetaucht, die Homepage von CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland im Netz abgestellt: Zwei Tage nach der Katastrophe bei der Loveparade mit inzwischen 20 Toten und über 500 Verletzten geht auf die Verantwortlichen ein Trommelfeuer der Kritik mit Rücktrittsforderungen und teils wüsten persönlichen Drohungen nieder. Von der Stadt war dazu den ganzen Montag über kaum ein Lebenszeichen zu hören. Am Nachmittag meldete sich der OB mit einer persönlichen Erklärung zu Wort und äußerte Verständnis für Rücktrittsforderungen. Viele rechnen damit, dass er nicht mehr lange im Amt bleibt. "Wenn sich die Stadt etwas vorzuwerfen hat, dann werden wir Verantwortung übernehmen", erklärte Sauerland.
Gestern Abend vermeldete die Polizei das 20. Todesopfer: Eine 21-Jährige erlag ihren schweren Verletzungen. Für den Konzertveranstalter Marek Lieberberg führten Profilierungssucht der Stadt Duisburg und eine amateurhafte Organisation zu der tödlichen Katastrophe. Das "war keine höhere Gewalt wie ein Treppeneinsturz oder ein Unwetter, sondern das Ergebnis eines verhängnisvollen Zusammenwirkens von völlig überforderten Behörden und inkompetenten Organisatoren, die weder mit derartigen Großveranstaltungen vertraut noch in der Lage waren, auf Notsituationen zu reagieren", sagte Lieberberg. Vom Veranstalter Lopavent kam darauf bis zum Abend keine Antwort. Seine Internetseite hatte das Unternehmen schon am Vortag komplett abgeschaltet.
Für die Öffentlichkeit steht praktisch fest: Bei der Planung der Großveranstaltung für Hunderttausende mit nur einem Flucht- und Zugangsweg - obendrein durch einen nur 3,80 Meter hohen Tunnel - sind gravierende Fehler gemacht worden. Und es gab durchaus warnende Stimmen, auf die aber niemand hörte. Zu den Skeptikern zählte etwa die frühere Leiterin des Duisburger Bauordnungsamtes. Sie soll sich schon im März dieses Jahres geweigert haben, die Genehmigung für das Riesenfest zu unterschreiben. Danach sei sie versetzt worden, erzählen Insider, die aber nicht zitiert werden möchten.
Die stark überschuldete Stahlstadt wollte unbedingt den Image-Erfolg der Raveparty mit glücklichen jungen Menschen - dafür wurde auch politischer Druck ausgeübt: Als im Herbst 2008 in den Sitzungen der Fachleute ein Polizeivertreter Zweifel anmeldete, ob Duisburg überhaupt ein geeignetes Gelände besitze, schaltete sich der damalige Duisburger CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Mahlberg ein. Er drängte Anfang Februar in einem Brief an den damaligen FDP-Innenminister Ingo Wolf auf eine Ablösung des Polizeipräsidenten.
Ins Bild passt der von der Stadt nicht dementierte Bericht von "Spiegel Online", dass die Duisburger Bauaufsicht nur wenige Tage vor der Loveparade die Sicherheitsauflagen zu den Fluchtwegen gelockert haben soll. Nach dem Bericht gab es ein eigenes Sicherheitskonzept von Polizei und Feuerwehr - es wurde als zu personalaufwendig verworfen. "Viele Verantwortliche waren gegen die Pläne für die Loveparade - nur nicht der OB", sagt der Insider. Um Befangenheit bei den Ermittlungen zu vermeiden, übertrug das nordrhein-westfälische Innenministerium gestern die Zuständigkeit von der Duisburger auf die Kölner Polizei. "Wenn sich die Stadt etwas vorzuwerfen hat, werden wir Verantwortung übernehmen."
Oberbürgermeister Adolf Sauerland