Nach dem Terror von Paris wollen noch mehr Juden auswandern

Tel Aviv · Frankreich stand im vergangenen Jahr erstmals an der Spitze der Länder, aus denen Juden nach Israel eingewandert sind. Mit der Terrorwelle in Paris stellt Israel sich jetzt auf einen neuen Ansturm von Einwanderern ein.

Philippe Braham wollte in dem koscheren Supermarkt in Paris noch schnell Lebensmittel für den jüdischen Sabbat kaufen. Doch tragischerweise wurde es sein letzter Einkauf. Die Nachricht von Brahams Tod bei dem blutigen Geiseldrama in dem Geschäft ereilte seinen 14-jährigen Sohn in Israel. Gemeinsam mit seiner Mutter ist Refael im vergangen Sommer in den jüdischen Staat ausgewandert. "Wenn ich nicht nach Israel gekommen wäre, wäre ich vielleicht mit meinem Vater in dem Geschäft gewesen und jetzt tot", sagte er der israelischen Nachrichtenseite "ynet" gestern.

Eine wachsende Zahl von Juden fühlt sich inzwischen in dem Konfliktland Israel - wo es auch ständig Anschläge gibt - sicherer als im Zentrum Europas. Wie Refael und seine Mutter Carole ist im vergangenen Jahr eine Rekordzahl von fast 7000 französischen Juden nach Israel ausgewandert. Das sind doppelt so viel wie 2013. Angesichts der neuen Terrorwelle in Paris hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Juden in Frankreich massiv zur Auswanderung aufgerufen. Man werde jeden "mit offenen Armen empfangen", sagte er gestern.

Unter den Auslösern für die Auswanderungswelle sind ein Anstieg antisemitischer Vorfälle und Angst vor Anschlägen. Oschrat Chazan vom israelischen Einwanderungsministerium sieht einen stetigen Anstieg der Zahl jüdischer Immigranten aus Frankreich schon seit dem Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse vor drei Jahren. Damals hatte ein Islamist drei Kinder und einen Lehrer erschossen. "Es herrscht das Gefühl, dass die Situation in Frankreich für Juden immer schlimmer wird", sagt Chazan. Dazu komme die schwierige wirtschaftliche Lage in Europa. Das Ministerium wirbt in Frankreich aktiv um die 500 000 Juden . Einwanderern winken viele Erleichterungen und Vergünstigungen. Das Ministerium rechne nach dem Anschlag in Paris mit einem weiteren Anstieg der Einwanderungszahlen, sagt Chazan. "Wir sind auf einen echten Ansturm vorbereitet."

Auch der Besitzer des Pariser Geschäfts wolle nun nach Israel auswandern, berichtet die "Bild". Laut seinem Bruder habe er gesagt: "Ich habe nur knapp überlebt, so viele meiner Angestellten und Kunden sind getötet worden. Ich kann nicht länger in Paris bleiben, sondern werde nach Israel gehen."

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