Mutiger Einsatz brachte Dominik den Tod

Sie müssen wie von Sinnen gewesen sein. Am helllichten Tag prügeln auf einem S-Bahnhof in München zwei Jugendliche einen Mann zu Tode. Mehr als 20 Mal treten und schlagen sie zu. Dabei hatte der Mann ihnen nichts getan - er hatte sich nur schützend vor Kinder gestellt, von denen sie Geld erpressen wollten. Der 50-Jährige starb für seinen Einsatz und seine Zivilcourage

Sie müssen wie von Sinnen gewesen sein. Am helllichten Tag prügeln auf einem S-Bahnhof in München zwei Jugendliche einen Mann zu Tode. Mehr als 20 Mal treten und schlagen sie zu. Dabei hatte der Mann ihnen nichts getan - er hatte sich nur schützend vor Kinder gestellt, von denen sie Geld erpressen wollten. Der 50-Jährige starb für seinen Einsatz und seine Zivilcourage. Ein 17 und ein 18 Jahre alter Jugendlicher sitzen wegen Mordes in Untersuchungshaft. Ein weiterer 17-jähriger wurde als Mit-Initiator festgenommen, er hatte als erster zugeschlagen. "Das besonders Bestürzende an dem Fall ist, dass der Mann alles richtig gemacht hat", sagte Staatsanwalt Laurent Lafleur. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fürchtet nun allgemein um die Zivilcourage in Deutschland. "Das ist eine schockierende Tat, die nicht dazu animieren wird, mutiger für andere einzuschreiten", sagte der BDK-Bundesvorsitzende Klaus Jansen. "Diese Einzelfälle zeigen doch, dass wir es mit entgrenzter Gewalt zu tun haben, mit einer Ent-Menschlichung. Die Qualität der Gewalt ist eine entsetzliche geworden." "Zu sagen, das ist das Ende der Zivilcourage, hat einen unglaublichen Unterton, aber da ist was dran", sagte Jansen. "Es wird immer einen Prozentsatz Menschen geben, die solche Situationen nicht ertragen können und die bei Gewalt gegenüber anderen auch weiter dazwischen gehen." Aber: "Vorsichtige werden noch vorsichtiger werden, und das kann kein Vorwurf sein. Wenn wir jetzt als Gesellschaft nicht umkehren, sind wir am Ende der Zivilcourage", betonte Jansen.Die verteidigt auch sein Kollege Michael Rupp, Vorsitzender des Bundes der Kriminalbeamten im Saarland: "Trotz des schlimmen Ereignisses muss man dazu raten. Was wäre denn passiert, wenn der Mann nicht eingeschritten wäre? Die Kinder wären womöglich verletzt worden." Dass die Konfrontation tatsächlich tödlich endete, sei mehr als tragisch. Und ungewöhnlich. Dass ein Nothelfer immer Gefahr laufe, verletzt zu werden, sei unumstößlich, sagt Veit Schiemann von der Opferschutzorganisation Weißer Ring. Dass ein Nothelfer dabei tatsächlich zu Tode komme, sei aber die große Ausnahme. Ihm ist aus den vergangenen fünf Jahren nur dieser aktuelle Fall in München bekannt. Trotz dieses Vorfalls gebe es dennoch immer noch gute Gründe, zu Zivilcourage zu ermutigen sowie andere zum Helfen aufzufordern. Und zwar mit gutem Gewissen und ohne sich in Gefahr zu bringen: "Heute hat doch jeder ein Handy dabei. Damit kann man doch die Polizei alarmieren, ohne dass die Täter dies mitbekommen. Und es hilft natürlich außerordentlich, im Notfall Öffentlichkeit zu schaffen und mehrere Personen konkret um Hilfe zu bitten, im Sinne von: Sie da mit der blauen Mütze! Merken Sie sich genau, wie die aussehen. Und Sie mit dem roten Pullover: Rufen Sie schnell die Polizei." Das mache dem Täter deutlich: "Du wirst beobachtet. Wir sind auch bereit, dich auszuliefern." Dann werde der Täter schnell merken: "Das sind zu viele. Die schaffe ich nicht alle." Und der Angreifer flüchte. "Und das ist ja das Ziel von Zivilcourage: das Opfer schützen", sagt Schiemann.Ausreden will er nicht gelten lassen: Angst vor körperlicher Gewalt könne man umgehen, indem man helfe, ohne sich in Gefahr zu bringen. Angst vor einem Sachschaden sei auch überflüssig. Als Nothelfer sei man über die Gemeinde-Unfallversicherung versichert: "Das bekommt man ersetzt." Und was ist mit der Mühe zu helfen, sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen? Darauf entgegnet Schiemann nur: "Stellen Sie sich doch mal den umgekehrten Fall vor - Sie sind das Opfer und keiner macht sich die Mühe, Ihnen zu helfen . . ."Der 18-jährige Schläger von München hat sich einem Zeitungsbericht zufolge bei der Familie des Opfers mittlerweile entschuldigt. Er bedauere seine Tat zutiefst und könne sich nicht erklären, wie es zu diesem Blackout kommen konnte, sagte sein Anwalt der Zeitung. Der Weiße Ring hat laut Schiemanns Aussage den Angehörigen bereits seine Hilfe angeboten. Natürlich werde man die Familie nicht vor der Tür mit dem Angebot konfrontieren, sondern über die Polizei Kontakt aufnehmen. Oder über die Medien. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" habe ein Vertreter gerade ausdrücklich gesagt: "Selbstverständlich bieten wir der Familie des Opfers unsere Hilfe an", um den Angehörigen ein Signal zu senden. Ob diese die Unterstützung schon angenommen habe, wisse er aber noch nicht.

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