Mordanschlag im "Mekka des Hasses"

Tucson. Sheriff Clarence Dupnik spricht nach dem Anschlag auf die Bürgersprechstunde im Einkaufszentrum vor den Toren der Stadt Tucson Klartext. "Der Ärger, der Hass, die Doppelzüngigkeit in diesem Land werden unerträglich", beklagt sich der lokale Polizeichef. Eine aufgeheizte Stimmung könne psychisch labile Menschen beeinflussen

Tucson. Sheriff Clarence Dupnik spricht nach dem Anschlag auf die Bürgersprechstunde im Einkaufszentrum vor den Toren der Stadt Tucson Klartext. "Der Ärger, der Hass, die Doppelzüngigkeit in diesem Land werden unerträglich", beklagt sich der lokale Polizeichef. Eine aufgeheizte Stimmung könne psychisch labile Menschen beeinflussen. "Wir sind zu einem Mekka des Hasses und der Vorurteile geworden", sagte Dupnick nach dem Tag, der die Amerikaner in ein Trauma stürzt.

Die geschockte Nation versucht, sich einen Reim auf die Bluttat des 22-jährigen Jared Lee Loughner zu machen, der "Das kommunistische Manifest" und "Mein Kampf" im Internet als seine Lieblingsbücher anführt. Vermutlich handelt es sich um einen verwirrten Mann. Er sollte noch gestern Abend in ersten Punkten angeklagt werden, teilte der Direktor der Bundespolizei FBI, Robert Mueller, mit. Angaben über die Motive des 22-jährigen Täters lehnte er ab. Es sei noch zu früh, darüber zu spekulieren.

Der Täter konnte am Schauplatz der Bluttat, bei der ein Mädchen, drei Rentnerinnen und ein Bunderichter ums Leben kamen, überwältigt werden. Zwölf weitere Personen erlitten in dem Kugelhagel zum Teil lebensbedrohliche Verletzungen, darunter die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords. Während die übrigen Opfer wahllos ins Fadenkreuz Loughners gerieten, nahm er die 40-Jährige gezielt ins Visier. Nach dem Kopfdurchschuss ist ihr Zustand kritisch, sie reagiert nach Angaben ihrer Ärzte aber auf einfache Anweisungen.

Giffords zählt zu den gemäßigten Demokraten und gilt als ausgesprochene Pragmatikerin. Im Gegensatz zu vielen ihrer demokratischen Kollegen tritt sie für das Recht auf privaten Waffenbesitz ein. Andererseits wiederum unterstützte Giffords vehement die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama. Das machte sie zur Zielscheibe für die radikalkonservative Tea-Party-Bewegung und andere extreme Gegner. So wurden im März die Fensterscheiben ihres Büros in Arizona zerschmettert.

US-Präsident Obama äußerte sich geschockt. "Das ist eine Tragödie für Arizona und für unser ganzes Land", sagte er - hütete sich aber davor, die Tat der politischen Rechten in die Schuhe zu schieben. Die republikanische Führung versuchte, sich schnell von dem Geschehen zu distanzieren. Um jegliche Assoziation zwischen der Gesundheitsreform und dem Attentat zu zerstreuen, sagten die Republikaner im Repräsentantenhaus die für Mittwoch geplante Abstimmung über einen Stopp der Reform ab. Zugleich verurteilten sie den Anschlag auf Giffords.

Politisch brisant wird es nun für den Liebling der Tea-Party-Bewegung, Sarah Palin, die vor den Wahlen eine "Abschussliste" veröffentlichte. Darauf standen die Namen von 20 Demokraten, auf deren Wahlkreise Fadenkreuze prangten. Im Internet erklärte Palin nach der Niederlage bei der Gesundheitsdebatte im Kongress: "Nicht zurückziehen, sondern nachladen." Die mögliche Präsidentschaftskandidatin der Republikaner entfernte die "Abschussliste" nach dem Attentat von ihrer Webseite und äußerte ihre "aufrichtige Anteilnahme".

"Mission erfüllt, Sarah Palin", feuerte der bekannte linke Blogger Markos Moulitsas am Tag danach zurück. Andere Demokraten äußerten sich diplomatischer, verlangen aber ebenfalls ein Ende der militanten Sprache und dem verbalen Hass auf der politischen Rechten. Giffords selbst hatte Palin und andere Populisten der Tea-Party-Bewegung nach dem Angriff auf ihr Bürgerbüro vorgehalten, die Saat von Gewalt auszustreuen. "Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass so etwas Konsequenzen hat." Tragischerweise behielt sie recht.

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