Slowakischer Innenminister tritt zurück Mord löst politische Krise aus

Bratislava · Der Tod eines Journalisten stürzt die Slowakei ins Chaos. Jetzt tritt der Innenminister zurück.

 Zehntausende demonstrierten zuletzt in Bratislava gegen die Regierung und die Mafia. Das Motto lautete „Für eine anständige Slowakei“. Das Plakat zeigt Gesichter von Kabinettsmitgliedern.

Zehntausende demonstrierten zuletzt in Bratislava gegen die Regierung und die Mafia. Das Motto lautete „Für eine anständige Slowakei“. Das Plakat zeigt Gesichter von Kabinettsmitgliedern.

Foto: dpa/Ronald Zak

„Zurücktreten, zurücktreten“ – das ist in den letzten Tagen der Ruf Zehntausender Demonstranten in der Slowakei an die Adresse ihrer Regierung. Dabei galt das Euro-Land noch vor kurzem als Vorzeigestaat unter den östlichen EU-Mitgliedern – im Gegensatz zu Ungarn, Tschechien und Polen. Doch seit Ende Februar der Enthüllungsjournalist Jan Kuciak und seine Verlobte erschossen wurden, ist alles anders. Die Slowakei ist innerlich zerrissen und in eine politische Krise gestürzt.

Erst tagelanger Druck aus dem In- und Ausland brachte Innenminister Robert Kalinak gestern dazu, politische Konsequenzen aus dem Journalistenmord zu ziehen. Um die Lage in der Slowakei zu stabilisieren, reiche er seinen Rücktritt ein, sagte der Politiker der sozialdemokratischen Partei Smer des Regierungschefs Robert Fico.

Der 27-jährige Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova waren am 25. Februar in ihrem Haus in dem Dorf Velka Maca östlich der Hauptstadt Bratislava erschossen aufgefunden worden. Kuciak hatte über die Verfilzung von Politik und Geschäftemacherei recherchiert. In seiner Untersuchung der Panama-Papers war er auf Verbindungen italienischer Mafia-Clans zu slowakischen Politikern und Regierungsmitarbeitern gestoßen.

Die EU-Kommission zeigte sich schockiert, das Europaparlament schickte eine Delegation in das Land. Am Freitagabend demonstrierten Zehntausende unter dem Motto „Für eine anständige Slowakei“ und forderten: „Die Slowakei soll kein Mafiastaat werden!“

Nach Kuciaks Recherchen soll das kriminelle Netzwerk auch mit dem Missbrauch von EU-Förderungen reich geworden sein. Der mutmaßliche Drahtzieher des italienischen Netzwerks, Antonino Vadala, habe demnach sogar seine frühere Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin, das Ex-Model Maria Troskova, als persönliche Assistentin Ficos direkt ins Machtzentrum Bratislavas eingeschleust.

Schon lange stand Innenminister Kalinak im Visier der Medien. Ihm wird vorgeworfen, zweifelhafte Geschäftsverbindungen zu einem des Steuerbetrugs angeklagten Unternehmer, Ladislav Basternak, unterhalten zu haben. Er soll diesen gegen Bestechungsgelder vor Ermittlungen geschützt haben.

Der mit diesem Fall befasste Staatsanwalt Vasil Spirko trat vergangene Woche mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, Kalinak und sein Geschäftsfreund, der Ex-Finanz- und Verkehrsminister Jan Pociatek, hätten Bestechungsgelder für die Vergabe von Staatsaufträgen genommen. Kalinak wies die Vorwürfe als „absurd“ zurück. Sein Amt musste er dennoch abgeben. Ob der Rücktritt des Innenministers für den angeschlagenen Fico allein den gewünschten Befreiungsschlag bringt? Beobachter sind da eher skeptisch.

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