Monsieur Non trifft Madame Non

Berlin · Europas Einheit hängt von der Achse Paris-Berlin ab. Seit einiger Zeit knirscht es. Ein Tête-à-Tête der Kanzlerin mit dem neuen Premier Valls macht noch keine Freundschaft. Wünscht sich Merkel Sarkozy zurück?

Angela Merkel wird in Frankreich gerne "Madame Non" genannt. Das liegt an ihrem Nein zur Aufweichung der europäischen Stabilitäts- und Wachstumskriterien, gegen die Deutschland zu Zeiten ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD ) selbst verstoßen hat. Nun hat sie in Paris einen Gegenpart: "Monsieur Non".

Frankreichs neuer Regierungschef Manuel Valls macht klar, dass die stolze "Grande Nation" nicht mehr als 50 Milliarden Euro bis 2017 einsparen kann und erneut Aufschub zur Erfüllung des Maastricht-Vertrages braucht. "Können wir mehr tun? Nein. Nein!", hatte er schon vor seinem Antrittsbesuch bei Merkel gestern verkündet. Und nach dem Treffen sieht es nicht so aus, als hätte er seine Meinung geändert.

Merkel verlangt den Partnern viel ab, nachdem Deutschland mit seinen Einschnitten schon vor Jahren begonnen hat. Sie will kein Wachstum auf Pump und erwartet von klammen Ländern harte Reformen . Valls räumt ein: "Wir haben uns abhängen lassen, was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft." Mit Blick auf Merkel, die lange mehr Wert auf Stabilität in Europa als auf Wachstum gelegt hat, sagt er: "Deutschland ist schuld? Das ist falsch." Aber: "Die Franzosen werden Deutschland mögen, wenn es sich für das Wachstum in Europa einsetzt."

Dann wählt er bei seinem Auftritt im Kanzleramt einen ungewöhnlichen Weg - er wendet sich direkt an die deutsche Bevölkerung: "Viele sagen sich, wir haben unsere Reformen durchgeführt und die Franzosen sind nicht in der Lage, es zu machen. Und wenn sie es nicht tun, ist es für Deutschland schlecht." Valls versichert: "Die Reformen werden wir umsetzen." Dann äußert er eine Bitte: "Dafür brauche ich aber auch, dass das deutsche Volk mir Vertrauen entgegenbringt."

Ob Merkel ihm vertraut? Ist sie mit Valls zufrieden? Sie antwortet ausweichend: "Es geht nicht um zufrieden oder nicht zufrieden." Sie habe mit Valls über die Paris-Pläne gesprochen. Das sei "interessant" gewesen. Aber: "Die Bewertungen übernimmt die EU-Kommission", sagt sie und vermeidet mit Blick auf das drohende Defizitverfahren gegen Paris eine Festlegung.

Europa- und Finanzpolitiker in Merkels Union achten penibel darauf, dass Frankreich keine Sonderkonditionen zur Bewältigung seiner Haushaltsprobleme bekommt. Es wäre ein katastrophales Zeichen an Griechen, Spanier oder Portugiesen, die schmerzhafte Reformen eingeleitet haben, heißt es bei Unionspolitikern. Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft Europas dürfe kein Rabatt gegeben werden. Sonst sei die Glaubwürdigkeit der EU und des mühsam gehärteten Stabilitätspakets dahin.

Merkel empfängt heute den griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras . Gerade mit seinem Namen verbindet man die enormen Anstrengungen des Landes, die zu großem Groll auf Merkel als Antreiberin eines Sparkurses in Europa führten. Gerade ihm könnte sie einen Rabatt für Paris nicht erklären.

Und so sagt Merkel zu Valls, es gehe ihr um Europas Glaubwürdigkeit und Vertragstreue. Merkels Kritiker aber halten es für brandgefährlich, bei Frankreich weiter die Daumenschrauben anzusetzen. Dadurch würden die Rechtsextremisten vom Front National immer stärker. Auch die deutsche AfD, die am rechten Rand der Union wildert, muss Merkel im Blick haben. Ist sie zu nachgiebig mit Paris , wird die eurokritische Alternative für Deutschland von Mauschelei reden - stürzt Frankreich ab, wäre die Euro-Krise mit einem Schlag zurück, was der AfD weiteren Zulauf bringen dürfte.

Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy war zwar für Merkel trotz der Parteinähe ob seiner quirligen, teils sprunghaften Art nicht immer ein leichter Gesprächspartner, aber sie zogen an einem Strang. So sehr, dass sie den Spitznamen "Merkozy " bekamen. Nun kommt der durch Affären belastete Sarkozy zurück in die Politik. War es mit ihm einfacher, wird Merkel gefragt? Sie muss schmunzeln und antwortet, wie es das deutsch-französische Verhältnis verlangt: "Unsere Aufgabe ist es heute, mit denen, die in Frankreich die Verantwortung haben, gut und intensiv zusammenzuarbeiten."

Schon aus historischen Gründen gilt Frankreich als wichtigster deutscher Partner in der EU. Ohne eine stabile Achse Paris-Berlin droht es in der EU kräftig zu rumpeln. Auch Valls wird gefragt, ob er mit der Kanzlerin zufrieden sei. Sie sei eine sehr, sehr wichtige Partnerin, betont der Sozialist. Aber Politiker wie Willy Brandt hätten ihn geprägt. Und: "Unsere Beziehungen kann man nicht zusammenfassen nach einem Mittagessen und einem Tête-à-Tête."

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