Mit Schirmen gegen die Macht des Staates

Hongkong · Eine Freiluft-Ausstellung, in deren Mittelpunkt der Schirm steht, soll ihrem Protest für freie Wahlen ein Gesicht geben: Demonstranten in Hongkong machen das Protestgelände zur Kunstszene.

Inmitten der Proteste in Hongkong ist eine riesige Freiluft-Galerie entstanden - leidenschaftliches Zeugnis der seit nunmehr vier Wochen andauernden Revolte. Doch nun fürchten die Demokratie-Aktivisten die Zerstörung der Ausstellung bei einem möglichen Polizeieinsatz. Damit Werke wie der "Umbrella Man" der Nachwelt erhalten bleiben, sind auf dem Protestgelände der südchinesischen Sonderverwaltungszone ständig Kunsthüter im Einsatz, um im Notfall Alarm zu schlagen.

Die Proteste der Anhänger der Demokratiebewegung lähmen seit einem Monat das Leben in der südchinesischen Wirtschaftsmetropole. Die Demonstranten fordern freie Wahlen. Die Regierung in Peking will den Bürgern Hongkongs 2017 zwar erlauben, erstmals den Verwaltungschef der Stadt zu wählen, doch will sie vorab ihr genehme Kandidaten auswählen. Im Zuge der Proteste kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Die Aktivisten besetzten unter anderem einen etwa einen Kilometer langen Autobahnabschnitt gegenüber dem Regierungssitz. Mittelpunkt der dort entstandenen Open-Air-Ausstellung ist die vier Meter hohe Holzskulptur "Umbrella Man" mit Regenschirm - Symbol der Protestbewegung in der ehemaligen britischen Kronkolonie: Denn mit Schirmen schützten sich die Demonstranten gegen Regen und tropische Hitze, Polizeischlagstöcke und Pfefferspray. Zwischen bunten Zelten und Lebensmittelvorräten wird gezeichnet, geschnitten, geklebt, gebastelt und gemalt. Doch die improvisierte Galerie ist bedroht: Erst neulich wurden in einem anderen Protestlager im Stadtteil Mong Kok bei Zusammenstößen mit der Polizei die meisten Werke zerstört. Sollte die Polizei nun das Hauptlager stürmen, so wollen freiwillige Kunstwächter Alarm schlagen: "Ihr Job ist es, mich anzurufen, dann kann ich Rettungsteams mobilisieren", sagt McGurgan. Zahlreiche Künstler gaben bereits grünes Licht für die Entfernung ihrer Werke im Notfall. Doch wohin damit? "Wir haben die Museen angerufen", sagt McGurgan. "Entweder meldeten sie sich nicht zurück, oder sie lehnten ab, weil die Kunst politisch sei. Ich fand das echt traurig." Ein Dutzend Galerien wollen die Werke nun bis auf Weiteres lagern, zum schnellen Abtransport im Falle eines Polizeieinsatzes stehen Lastwagen zur Verfügung. Beim "Umbrella Man" dürfte das relativ einfach sein, komplizierter wäre die Rettung der "Lennon Wall", einer Wand mit tausenden rosafarbenen und gelben Zettelchen voller Botschaften von Unterstützern und Kritikern. "Wir haben Fotos mit hoher Auflösung gemacht und sie in Sektionen gerastert", erklärt McGurgan. "Wenn nötig, können wir es später wieder wie ein Puzzle zusammensetzen."

Dass die Protestkunst für künftige Generationen bewahrt werden muss, steht für den Künstler Kacey Wong außer Zweifel: "Ich weiß nicht, welche Zukunft Hongkong hat, doch im Moment sieht sie düster aus", sagt er. "Wenn das der Fall ist, so sollten Kinder in 25 Jahren zurückschauen können auf eine Welt, die hochzivilisiert war und voller Hoffnung."