Mit langem Atem – aber hartnäckig

Peking · Die Kanzlerin war seit ihrem Amtsantritt fast jedes Jahr in China. Diesmal ist die Gemengelage besonders kompliziert. Die Menschenrechtslage verschlechtert sich wieder. Inzwischen klagen auch die Unternehmer.

 Trotz kritischer Worte: Angela Merkel erhält die Ehrendoktorwürde von dem Präsidenten der Universität von Nanjing, Chen Jun. Foto: dpa

Trotz kritischer Worte: Angela Merkel erhält die Ehrendoktorwürde von dem Präsidenten der Universität von Nanjing, Chen Jun. Foto: dpa

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Die junge Frau hätte gern ein paar Tipps von der Kanzlerin. Wie man als Frau denn eine solche Karriere machen könne wie sie, möchte die chinesische Studentin wissen. Angela Merkels Antwort gestern in der Pekinger Akademie der Wissenschaften fällt ihre Antwort kurz aus.

Nach dem Mauerfall seien im wiedervereinigten Deutschland Menschen in den Parteien gebraucht worden, die in der DDR eben noch keine Politik gemacht hätten - Merkel hatte sich als junge Frau mit Quantenchemie befasst. "Das hat mit eine Chance geboten." Und: "Dann hat sich das gut gefügt." Karriere fertig. Jedenfalls möchte Merkel gern den Eindruck erwecken, dass sie gar nicht so außergewöhnlich ist. "Schritt für Schritt" sei sie in die Politik gekommen. Schritt für Schritt, das ist auch Merkels Grundverständnis, wie man in der Politik etwas erreicht. Nicht alles auf einmal, einen langen Atem haben, hartnäckig bleiben.

Die Erwartungen an den China-Besuch der Kanzlerin und die vierten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen heute in Peking sind hoch. Menschenrechtler hoffen, dass Merkel die Einschränkung der Freiheitsrechte anspricht. Die Wirtschaft setzt auf die Kanzlerin bei der Verbesserung der Konditionen für deutsche Investoren, die EU auf kritische Worte Merkels zu Überproduktionen in China.

Doch Peking lässt die Muskeln spielen, droht den Europäern indirekt mit einem "Handelskrieg", weil sie China nicht wie versprochen als Marktwirtschaft einstufen wollen, was Schutz vor Strafzöllen bieten würde. Und dann droht eine Eskalation im Ost- und im Südchinesischen Meer mit den umstrittenen Gebietsansprüchen Pekings.

Und was macht Merkel? Sie spricht in ihrer Rede in der Akademie alle Punkte an. Diesmal eigentlich alles auf einmal. Vielleicht nicht in aller Schärfe, aber offen genug. Das Gesetz, durch das ab 2017 die Arbeit der ausländischen Nichtregierungsorganisationen stärker eingeschränkt werden kann: "Deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass auch im Hinblick auf die Anwendung des neuen chinesischen NGO-Gesetzes, das Gesetz für die Nichtregierungsorganisationen, es möglich sein wird, dass zivilgesellschaftliche Organisationen weiterhin unsere bilateralen Beziehungen bereichern können."

Die Benachteiligungen deutscher Investoren in China: "Nach unserer Meinung ergibt sich der Rechtsrahmen natürlich für Unternehmen auch dadurch, dass ausländische Unternehmen gleichgestellt sind bei öffentlichen Ausschreibungen, Markenrechten, Patenten. Verlässliche und transparente Regeln sind insbesondere für innovationsstarke Unternehmen von allergrößter Bedeutung." Es ist Merkels neunte China-Reise - und eine der schwierigeren. Li Keqiang begrüßt Merkel bereits gestern - einen Tag vor den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Und zwar in einem der bedeutendsten Kulturdenkmäler Chinas, im Sommerpalast, der einst den Kaisern als Erholungsort diente. Eine freundliche Geste. Doch die Gemengelage ist komplizierter als vor zehn Jahren. China ist selbstbewusst geworden, ist durch zwangsverordnete Joint-Ventures mit ausländischen Investoren an Know-how gekommen - Schutz des geistigen Eigentums hin oder her - und kann jetzt international mithalten. Dann werden die Bedingungen für deutsche Investoren in China schlechter. Mit staatlichen Subventionen könnten derzeit selbst heruntergewirtschaftete chinesische Firmen auf "Shoppingtour" gehen und ganze Firmen kaufen, beklagt das China-Institut Merics in Berlin. China produziert im Übermaß, macht Konkurrenten mit Billigexporten das Überleben schwer und pocht auf Schutz vor Anti-Dumping-Klagen. Die Menschenrechtslage ist beklagenswert. Xi hat Hoffnungen der westlichen Welt auf mehr Demokratisierung und Offenheit enttäuscht.

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